Das Ende des Zufalls - Wie Big Data uns und unser Leben vorhersagbar macht (German Edition)
bakteriellen Befall, und zwar durch das Bakterium Helicobacter pylori. 1984 trank er ein Reagenzglas voll mit diesen Stäbchenbakterien. Die Magengeschwüre, die sich daraufhin bei ihm bildeten, waren der Beweis für seine Theorie. Schließlich konnte er sich mithilfe von Antibiotika wieder selbst heilen.
Werner Otto Theodor Forßmann war gerade mal 25 Jahre alt, als er sich im Frühjahr 1929, nachdem entsprechende Patientenversuche abgelehnt worden waren, im Selbstversuch einen Gummischlauch von der eigenen Armvene bis in die rechte Herzkammer schob. Mithilfe von Röntgenaufnahmen dokumentierte er diese erste Katheterisierung. Erst 1956 erhielt er dafür den Nobelpreis für Medizin, nachdem zwei andere Wissenschaftler, André Frédéric Cournand und Dickinson Woodruff Richards, auf die Resultate seines Selbstversuchs gestoßen waren.
Der Arzt und Epidemiologe Joseph Goldberger erforschte Anfang des 20. Jahrhunderts die damals in den Südstaaten der USA weit verbreitete Pellagra-Krankheit. Um zu beweisen, dass es sich dabei um keine Infektion handelte, sondern die Krankheit auf Mangelernährung der Betroffenen zurückzuführen ist, ließ er sich Blut von Pellagra-Kranken subkutan injizieren, außerdem nahm er Kapseln zu sich, die Haut, Urin und Stuhl von Pellagra-Erkrankten enthielten. Trotz dieser extremen Kontakte blieb er ohne Infektion und konnte damit seine Theorie beweisen. Andere Wissenschaftler wiesen später durch Auswertung seiner Aufzeichnungen nach, dass ein Mangel an Niacin die Krankheit auslöst.
Heute und in Zukunft stehen dem Selbstversuch und der Eigenbeobachtung, wie schon erwähnt, ganz andere technische Möglichkeiten zur Verfügung. Viele Forscher nutzen das auch. Eric Alm am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge ist einer von ihnen. Ein ganzes Jahr über hatte er seine Darmflora beobachtet. Als er an einer Lebensmittelvergiftung erkrankte, konnte er den Verlauf der Infektion und deren Auswirkungen auf die bakterielle Situation in seinem Darm im Rahmen seines Selbstbeobachtungsexperiments im Detail dokumentieren. 33 Ähnliches erlebte auch Larry Smarr, Chef des California Institute for Telecommunications and Information Technology, einer der frühen Internetpioniere. Der ursprüngliche Astrophysiker und jetzige Computerwissenschaftler ist ebenfalls ein intensiver „Self Tracker“ aller seiner wichtigen Biodaten. Durch Selbstbeobachtung entdeckte er frühzeitig Signale, die auf eine aufkeimende Morbus-Crohn-Erkrankung hinzuweisen schienen. „Ich glaube, wir werden eine Revolution erleben, ein Goldenes Zeitalter neuer Diagnostik und Therapien!“, sagt Smarr, der nun mit anderen Wissenschaftlern daran arbeitet, diese Daten weiter auszuwerten, um damit detailliertere Aufschlüsse über den Zusammenhang zwischen den Darm-Mikroben und dem Verlauf der Erkrankung zu bekommen. 34
„Denken Sie an unsere Autos: Sie haben kleine Chips, mit denen wir Sekunde für Sekunde messen, wie gut die Zündkerzen arbeiten, die Bremsen oder die Benzineinspritzung. Und wenn Sie fünfzig- oder sechzigtausend Kilometer gefahren sind, dann vergleichen diese Chips die Daten Ihres Autos mit denen des Durchschnitts aller Fahrzeuge Ihres Modells und Baujahrs, und wenn sich daraus zeigt, dass etwas nicht mehr optimal funktioniert, dann kann es ausgetauscht und damit der Normalzustand wieder hergestellt werden. Genau das mache ich auch mit meinem Körper!“
Larry Smarr, Direktor des California Institute for Telecommunications and Information Technology
Wissenschaftliche Relevanz gewinnen diese Ego-Daten, wenn sie gesammelt, analysiert und vergleichbar gemacht werden können. Die Quantified-Self-Bewegung promotet dies ausdrücklich. Damit trägt sie dazu bei, über ein neues, offeneres Verhältnis zu persönlichen Daten nachzudenken.
Das Smartphone hat sich als wichtigstes Tool der QS-Bewegung etabliert, und zwar gleichermaßen als Input- wie als Output-Werkzeug. Beide Funktionen machen es für die Fans der Ego-Daten unentbehrlich. Neue Sensorentechnologien sind bereits integriert und zusätzliche Messfühler werden in den nächsten Jahren noch dazukommen. Die zentrale Sammelstelle dafür werden unsere Smartphones, die uns wie kein anderes Gerät 24 Stunden lang hautnah begleiten. Doch der nächste Schritt bringt zusätzliche Accessoires, die Teile dieser Funktionen in noch spezialisierterer Form übernehmen können. Die Fitness-Armbänder von Jawbone oder Nike gehören dazu, aber auch
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