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Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens

Titel: Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiziano Terzani
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war die Schweiz etwas absolut Exotisches. Und Paris erst!
    Als wir in die Schule zurückkamen, wurden wir wie Helden gefeiert. Wir hatten Ausweise als Saisonarbeiter! Und wir waren ganz schön kreativ damit umgegangen.
    FOLCO: Du fingst an zu tun, was du wolltest. Was sagten denn deine Eltern dazu?
    TIZIANO: Ach, weißt du, mein Vater lebte sein kleines Leben weiter, und meine Mutter das ihre. Manchmal kam ich nach Hause, aber meistens ging ich in die herrlichen Räume der Biblioteca Marucelliana und machte meine Schularbeiten dort, inmitten all der alten Bücher. Ich las und las und genoss das in vollen Zügen.
    Mein Onkel Vannetto kam immer vor dem Abendessen bei uns vorbei und rief vom Fuß der Treppe aus: „Na, was hat unser Tagedieb heute gemacht?“Für ihn war ich nichts weiter als ein Faulenzer. Was tat ich denn? Ich arbeitete nicht, ich brachte kein Geld nach Hause, ich war nichts als ein aufgeblasener Geck mit Halstuch und Pfeife. Meine Mutter ärgerte sich maßlos, wenn er das sagte.
    Ich machte das Abitur mit einer der besten Noten von ganz Florenz, und kurz darauf bekam ich einen Brief von der Banca Toscana, der die ganze Familie umhaute. Stell dir vor, sie luden mich zu einem Vorstellungsgespräch ein! Ich ging hin, und sie boten mir eine Stelle in der Bank an, was für meinen Vater, der sein Leben lang nicht einmal ein Konto besessen hatte, ungefähr so viel hieß, wie Papst zu werden.
    Ich hingegen zitterte bei dem bloßen Gedanken daran. In einer Bank zu arbeiten, war schlimmer als eine Verdammung, das wäre mein Untergang gewesen! Aber ich hatte die gesamte Familie gegen mich. Besonders Onkel Vannetto machte Druck.
    FOLCO: Ach, deshalb ist die Arbeit in einer Bank für dich immer ein Synonym des Bösen gewesen!
    TIZIANO: Das Symbol für alles, was man nicht tun sollte!
    Also setzte ich alles auf eine Karte und beschloss: Entweder ich erkämpfe mir ein Uni-Stipendium an der Scuola Normale in Pisa, oder ich muss aufs Studium verzichten und die Arbeit in der Banca Toscana annehmen. Ich war nicht ängstlich, als ich zur Prüfung ging, nein, an Angst kann ich mich nicht erinnern. Aber ich wusste, dass mein Leben davon abhing. Es war eine extrem schwierige Prüfung, zu der nur die besten Abiturienten Italiens zugelassen waren. Wir waren zweihundert Kandidaten für acht Plätze. Ich bekam einen davon, und das hat mein Leben verändert.
    Nach dem Sommer ging ich nach Pisa. Ich hatte ein Zimmer im Studentenwohnheim der Mediziner und Juristen, und alles war umsonst, Essen, Studiengebühren, Bücher. Meine Eltern hatten sich damit abgefunden, unter diesen Bedingungen konnten sie ja schlecht nein sagen.
    Das war auch der Sommer, in dem ich deine Mutter kennen gelernt habe.
    Papa hustet.
    FOLCO: Bist du erschöpft?
    TIZIANO: Ja, jetzt bin ich erschöpft. Wollen wir aufhören?
    FOLCO: So viele Geschichten, die ich noch nie gehört habe! Komisch, als hätten wir früher nie Zeit gehabt, darüber zu reden.
    TIZIANO: Interessant für jemanden wie dich, der nicht weiß, woher er kommt. Was ich dir klarmachen möchte, und nicht nur dir, sondern auch deiner Schwester Saskia und euren Kindern, ist, was für eine Kultur das damals war, was für Werte Leute wie meine Eltern hatten. Ganz einfache und doch sehr starke Werte. Ehrlichkeit. Und dann diese Würde. Man besucht die Verwandten, die viel mehr Geld haben, aber man rührt nichts an, man sagt immer, „Danke, ich habe schon gegessen.“Weißt du, so etwas gibt Kraft, solche Grundsätze formen einen. Man kleidet sich sorgfältig. Man macht keine Besuche, wenn man nicht anständig gekleidet ist, sonst wird man aufgezogen. Arm und schwach zu sein und dann auch noch als Trottel dazustehen? Nein danke! Ich bin genauso elegant wie du! Und deine Suppe esse ich nicht, ich bin schon satt! Der andere wichtige Wert ist die Familie. Auch der allabendliche Besuch des nervtötenden Onkels gehörte einfach dazu. Die Familie war immer da. Darauf konnte man sich verlassen.
    Das sind die Werte, mit denen meine Eltern aufgewachsen sind und die sie auf gewisse Weise auch an mich weitergegeben haben.

PISA UND OLIVETTI

    FOLCO: Kann die Reise weitergehen?
    TIZIANO: Schön, diese Vorstellung einer großen Reise - die Reise meines Lebens, aber auch die Reise in eine vergangene Zeit.
    Ich will versuchen, dir so ehrlich wie möglich von dieser Reise zu erzählen, denn ich glaube, Ehrlichkeit ist bei unserem Projekt das Wichtigste. Wir sind ja nicht hier, um uns etwas vorzumachen. Und

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