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Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens

Titel: Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiziano Terzani
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beim Direktor vor, obwohl ich niemanden kannte, der mich hätte einführen können, und er nahm mich!
    Damals begann meine Freundschaft zu Bernardo Valli, die immer von tiefer Bewunderung geprägt war. Valli ist ein wunderbarer, unglaublicher Mensch mit einem abenteuerlichen, aufregenden, romantischen Leben. Während ich meine Artikel in New York am Schreibtisch schrieb, reiste er durch die Welt und erlebte das Ende des Kolonialismus in verschiedenen Ländern hautnah mit. Von überall schickte er seine Telegramme, und eine meiner ersten Aufgaben in der Redaktion war es, daraus seine Artikel zusammenzustellen. Als Nasser starb, der als Regierungschef einem unabhängigen, nationalistischen Ägypten vorgestanden und 1956 den Suezkanal geschlossen hatte, um ihn den Engländern wegzunehmen und zu nationalisieren, war Valli zur Beerdigung in Kairo. Natürlich konnte er seine Artikel damals nicht einfach schicken, wie man das heute macht, und mit dem Fernschreiber ging es auch nicht, also schickte er Telegramme, große, grüne Bögen, auf denen die Streifen aus der Maschine aufgeklebt waren. Da stand dann zum Beispiel: DIENSTAG STOP NASSER UM ZWÖLF GESTORBEN STOP GROSSES BEGRÄBNIS STOP MILLIONEN VON MENSCHEN STOP … Und daraus musste ein Artikel gemacht werden, verstehst du? Da ich einer der Besten da war, hatte mein Chef mir diese wichtige Aufgabe anvertraut. Und so schrieb ich Vallis Artikel.
    FOLCO: Er schickte nur die Fakten?
    TIZIANO: Ja, und ich machte Artikel daraus. Eines Tages kam er dann, wie immer sehr auffällig gekleidet, in die Redaktion, um mich kennen zu lernen, und zwischen uns entstand eine große Freundschaft. Er ist ein hervorragender Journalist, unerschrocken und zuverlässig, seine Artikel trafen immer rechtzeitig ein. In der Redaktion wird ja auch der Umbruch gemacht, weißt du, abends um neun muss die Ausgabe stehen, und ob der Korrespondent in eine Schießerei geraten ist oder sonst etwas passiert, willst du dann gar nicht wissen - der Artikel muss in den Druck, sonst bleibt die Stelle in der Zeitung leer … Tja, das war also meine Arbeit in diesen anderthalb Jahren.
    FOLCO: Dass du dich noch genau an die Ereignisse jener Zeit erinnern kannst!
    TIZIANO: Folco, sollte am Ende gedruckt werden, was ich hier sage, musst du unbedingt die Einzelheiten überprüfen! Ein falsches Detail - und das ganze Projekt verliert seine Glaubwürdigkeit. Du musst dir eine Chronologie jener Jahre besorgen und meine Erzählungen damit abgleichen, denn auch mein Gedächtnis lässt nach. Zum Beispiel diese Sache mit dem Telegramm aus Kairo: Ich habe eben gesagt, das war Nassers Begräbnis, aber wenn es nun Sadats war? Du weißt, das muss um 1970 gewesen sein, denn von’69 bis’71 war ich in Mailand. Du gehst also in die Encyclopedia Britannica auf deinem PC, tippst „Nasser“ein und siehst nach, wann er gestorben ist. So vermeidest du Fehler, die dreihundert Seiten ihre Glaubwürdigkeit nehmen würden. Wenn du ernst genommen werden willst, musst du alles überprüfen. Immer.
    FOLCO: Ist das Journalismus?
    TIZIANO: Das ist echter Journalismus.
    FOLCO: Eine richtige Disziplin. Machst du es so?
    TIZIANO: So habe ich es mein Leben lang gemacht.
    FOLCO: Aber du hast doch ein gutes Gedächtnis?
    TIZIANO: Nein, ganz und gar nicht. Das ist unglaublich wichtig, vergiss das nicht: Man braucht Zeit, gesunden Menschenverstand und innere Unabhängigkeit, um zu verstehen, was wirklich vor sich geht. Sonst nimmt man alles für bare Münze.
    Papa streichelt das Kätzchen.
    Sieh nur, Folco, wie wonnig! Was es für eine Ruhe ausstrahlt! Ist es nicht süß? Es hat sich genau den richtigen Platz gesucht. Die haben einen Instinkt …
    FOLCO: Hmm. Wenn es aufwacht, müssen wir ihm ein Schälchen Milch geben.
    Um Journalist zu werden, hast du dann noch eine Prüfung machen müssen.
    TIZIANO: Ja. Und danach ging ich zu Pietra, dem Verleger der Zeitung - eine Szene, die ich nie vergessen werde. Denk nur, du warst gerade zwei geworden, Saskia war wenige Monate alt, wir wohnten damals in einer Wohnung im Corso Magenta in Mailand, es war Oktober oder November. „Herr Direktor“, habe ich zu Pietra gesagt, „ich fühle mich in der Redaktion nicht wohl. Ich möchte als Korrespondent nach China geschickt werden.“
    Halb im Spaß und halb im Ernst hat er geantwortet: „Diese Zeitung braucht keine Korrespondenten. Nur in Brescia habe ich noch etwas frei. Da kannst du von mir aus hin - die Füße im Matsch, den Kopf in den Sternen.“Was

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