Das Ende meiner Sucht

verursachtes Leiden und nicht als eine echte Krankheit hinstellen, sind ein enormes Hindernis für die mitfühlende Behandlung abhängiger Menschen. Solche Urteile ignorieren die überwältigenden Beweise, dass die Anfälligkeit für Sucht genauso wenig der Kontrolle des Einzelnen unterliegt wie die für Krebs. Im Übrigen wurde Krebs einst moralisch genauso stigmatisiert, bis die Wissenschaft nach und nach zu einem besseren Verständnis kam. Genau wie manche Leute weiterhin unbedingt einen Zusammenhang zwischen Krebs oder dem Nicht-Überleben bei Krebs und einem Mangel an positivem Denken herstellen wollen, widersetzen sich viele innerhalb und außerhalb der medizinischen Community der Tendenz, Abhängigkeit als eine biologische Erkrankung zu definieren und zu verstehen.
    Am 28. März 2007 brachte Senator Joseph Biden einen Gesetzentwurf ein, den Recognizing Addiction as a Disease Act von 2007 (Sucht als Krankheit anerkennen), um den Namen des National Institute on Drug Abuse (Nationales Institut für Drogenmissbrauch) zu ändern in National Institute on Diseases of Addiction (Nationales Institut für Abhängigkeitserkrankungen), was das Akronym NIDA unverändert ließ, und das National Institute on Alcohol Abuse and Alcoholism (Nationales Institut für Alkoholmissbrauch und Alkoholismus) in National Institute on Alcohol Disorders and Health (Nationales Institut für Alkoholstörungen und Gesundheit) umzutaufen.
    Viele Wissenschaftler und Ärzte begrüßten die vorgeschlagenen Änderungen in Anbetracht der Tatsache, dass zehn Prozent der Bevölkerung durch eine Alkoholabhängigkeit gefährdet sind und erhebliche Prozentsätze durch Abhängigkeiten von anderen Drogen (nicht mitgezählt ist die große Zahl derjenigen, die einen riskanten Alkohol- oder Drogenkonsum haben, aber nicht abhängig sind). Andere kritisierten die Vorschläge mit der Begründung, sie würden die Süchtigen verhätscheln und eine Opferhaltung unterstützen.
    Abhängigkeit als eine biologische Krankheit zu verstehen bedeutet nicht, dass persönliche Verantwortung, Motivation und Willenskraft bei der Genesung keine Rolle mehr spielen. Wie die beiden Betroffenen zeigen, die aus Pascal Gaches Patientengruppe ausstiegen, muss der Patient nach wie vor den Wunsch haben, von einer Droge loszukommen. Ich habe mit verschiedenen alkoholabhängigen Menschen gesprochen, die die Einnahme von Baclofen ablehnten, weil sie nicht ausreichend motiviert waren, mit dem Trinken aufzuhören. Sofern wir Menschen nicht einer Zwangsbehandlung unterziehen, müssen sie immer noch selbst gesund werden und bleiben wollen und dazu die geeigneten Medikamente nehmen.
    Genauso bedeutet die Behandlung von Abhängigkeit mit Baclofen oder jede Medikation, die Craving und den Antrieb zum Konsum unterdrückt, nicht das Ende von Entzugskliniken, 12-Schritte-Programmen wie AA und NA und Suchtbehandlung durch kognitive Verhaltenstherapie. Im Gegenteil: All das wird einen neuen Anstoß erhalten.
    Die traurige Tatsache bleibt, dass die Rückfallquoten nach einem Entzug extrem hoch sind, nach manchen Schätzungen bis zu 90 Prozent. 12-Schritte-Programme haben ebenfalls hohe Rückfallquoten. Genaue Zahlen, in welchem Umfang es nicht gelingt, Abstinenz zu erreichen und zu erhalten trotz regelmäßiger Teilnahme an AA- und NA-Meetings und kognitiver Verhaltenstherapie, sind schwer zu bekommen. Bis zu einem gewissen Grad hängt das damit zusammen, dass die AA und ähnliche Programme strikt auf Anonymität achten und Patientendaten deshalb kaum erfasst werden. 14
    Nur ein kleiner Teil von suchtmittelabhängigen Personen geht in 12-Schritte-Gruppen oder eine Entzugsklinik oder ein ambulantes Behandlungsprogramm, und nur ein kleiner Teil davon wird abstinent. Die hohen Kosten einer Suchtbehandlung haben daran erheblichen Anteil, aber auch die geringe Erfolgsquote aller konventionellen Behandlungsweisen.
    Ein Aufenthalt in einer Entzugsklinik oder die Teilnahme an einem ambulanten Programm könnte der perfekte Rahmen sein, um unter medizinischer Überwachung herauszufinden, welche Dosis von Baclofen oder einem anderen neu entwickelten Mittel zur Unterdrückung des Craving bei einer bestimmten Person wirkt. Damit würden sich die Erfolgsquoten solcher Programme verbessern, und das würde wiederum mehr Abhängige zu einem Versuch motivieren.
    Abhängigkeit ist zweifellos eine komplexe Krankheit mit biologischen und nicht biologischen Komponenten. Doch ich konnte das, was ich bei den AA und in der