Das Ende
löste sich das Mädchen von seiner Mutter, riss dem kleinen Asiaten Patricks stählerne Armprothese aus der Hand und stürmte über den Rasen.
»Kommen Sie mit uns?«
»Gerne.« Der Tibeter drehte sich um und hielt nach dem alten Mann Ausschau.
Doch Virgil Shechinah war verschwunden.
Der Streifen am Horizont war bereits hellgrau, als Shep die Ann Street erreichte. Vor ihm lag der Broadway. Als er Richtung Norden sah, erkannte er den düsteren Schnitter, der auf einem umgekippten Fahrzeug stand. Wieder tropfte Blut von der olivgrünen Klinge seiner Sense.
»Bastard!« Patrick nahm all seine Kraft zusammen, überquerte den Broadway und ging weiter in östlicher Richtung bis zur Ecke Trinity Place und Vesey Street – und dann lag das Areal des ehemaligen World Trade Center vor ihm.
Pankaj Patel raste mit dem Schulbus auf dem Broadway in Richtung Süden, indem er der Route folgte, die die zweite Stryker Force freigeräumt hatte. Das frühe Morgenlicht hob den Schleier einer langen Nacht, sodass das Grauen der Seuche zum ersten Mal in seinem ganzen Ausmaß sichtbar war. Überall in Manhattan lagen Leichen; es sah aus, als hätte ein dreißig Stockwerke hoher
Tsunami den Big Apple getroffen. Einige der Toten hingen aus geborstenen Fenstern, andere saßen noch immer in den unzähligen Autos, die überall die Straßen verstopften. Männer, Frauen und Kinder, Alte und Junge, Menschen aller Hautfarben, Einheimische und Fremde – Scythe hatte niemanden verschont.
Der Bus fuhr an der Trinity Church und der New Yorker Börse vorbei auf seinem Weg zur Südspitze Manhattans, dem Battery Park.
Francesca lehnte sich an Paolos Brust.
Die Finger der beiden schlangen sich ineinander, während David Kantor sich zwischen den gespreizten Beinen der Frau an die Arbeit machte. Im beheizten Fahrzeug hatte der Armeemediziner seinen unhandlichen Schutzanzug ausgezogen.
»Okay, Francesca. Der Muttermund hat sich vollständig geweitet.« Er wandte sich an seine Tochter Gavi, die auf der Bank hinter ihm saß und ihm half. »Besorg mir irgendetwas Sauberes. Ein Handtuch oder eine Decke wäre großartig.«
Francesca zitterte. Sie war erschöpft, und die Angst hatte ihren Nerven zugesetzt. »Sie sind doch wirklich Arzt, oder?«
»Mit allen notwendigen Zeugnissen. Allerdings habe ich meine Praxis aufgegeben, um mich anderen Geschäften zu widmen. Vielleicht hätte ich ja Kinderarzt werden sollen. Das ist heute meine zweite Geburt.«
Paolo zwang sich zu einem nervösen Lächeln. »Siehst du, mein Liebling. Gott kümmert sich um uns. Dr. Kantor, was war das erste Kind, das Sie zur Welt gebracht haben?«
David musste einen Kloß im Hals herunterschlucken. »Ein gesundes kleines hispanisches Mädchen. Okay. Leicht
pressen bei der nächsten Wehe. Auf die Plätze … fertig … pressen!!«
»Ahhh!« Francesca presste, und das ungeborene Kind glitt in ihrem sich weitenden Geburtskanal noch ein Stück tiefer. Die Schmerzen waren entsetzlich. Als sie den Kopf hob, sah sie den merkwürdigen Asiaten, der sie von der anderen Seite des Ganges aus betrachtete. »Warum machen Sie kein Foto? Das hält länger.«
»Verzeihung. Ich fühle mich einfach nur geehrt, bei diesem Wunder Zeuge zu sein.«
»Wunder? Das nennen Sie ein Wunder? Ich bin in einem Schulbus und bringe vor einem Haufen Fremder in einer pestverseuchten Stadt ein Kind zur Welt.«
»Genau. In einer Stadt, in der auf Schritt und Tritt der Tod lauert, haben Sie und Ihr Mann es geschafft, alle Hindernisse zu überwinden und zu überleben. Und jetzt bringen Sie einen neuen Lichtfunken in diese Welt der Dunkelheit. Ist das etwa kein Wunder?«
David sah auf. »Der Mann hat recht. Okay, noch einmal …«
Über einen der Sitze im hinteren Teil des Busses gebeugt, sah Sheridan Ernstmeyer, wie der Arzt das Kind der Italienerin zur Welt brachte, und ihr Ärger wurde immer größer.
Areal des ehemaligen World Trade Center,
Manhattan, New York
7:42 Uhr
Das Grundstück war gesäubert, der Tatort war gereinigt worden. Jedes noch so kleine Trümmerteil war untersucht worden, wobei von Familienfotos über persönliche Gegenstände bis hin zu winzigen DNS-Spuren die verschiedensten
Dinge zutage kamen, mit deren Hilfe man die Passagiere in den Flugzeugen und die Menschen in den Büros identifizieren konnte. Alles außer den praktisch unzerstörbaren Black Boxes der beiden Flugzeuge, die die Gespräche der Piloten während der letzten Minuten aufgezeichnet hatten.
Tonnen von Stahl waren
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