Das Engelsgrab
richten. Die Schutzengel stehen ganz oben auf seiner Liste.«
Suko lächelte. »Schutzengel?« murmelte er. »Du hast sicherlich recht. Eines will mir weniger in den Kopf. Schutzengel sind normalerweise unsichtbar. Sie besitzen auch keinen menschlichen Körper. Engel sind Geister. Ich will dich gar nicht erst nach der Historie der Engel fragen. Ich jedoch frage mich, ob das noch alles so stimmt, wie wir es uns denken. Oder hast du hier einen Geist auf dem Grab liegen sehen? Ich nicht. Es ist ein Mensch gewesen, der hier lag. Ein weiblicher Körper, durch zwei Pfeile getötet.«
»Nur einer, der sich plötzlich auflöste und wieder zurück in seinen Urzustand glitt«, sagte ich. »Das Kreuz hat dafür Sorge getragen. Es muss also etwas daran sein, Suko.«
»Wenn du es so betrachtest, hat du recht. Anfreunden kann ich mich damit noch immer nicht.«
»Mit Belial schon - oder?«
Er warf mir einen Seitenblick zu. »Worauf willst du hinaus, John?«
»Das kann ich dir sagen. Wir haben hier von Belial gesprochen, ohne genau zu wissen, ob er überhaupt im Hintergrund seine Fäden zieht. Wir spekulieren nur.«
Er gab mir recht und fragte dann: »Was ist mit Toby Cramer?«
»Unsere Hoffnung.«
»Wenn er schläft.«
»Ja, und träumt.« Ich hustete gegen meinen Handrücken. »Er wird möglicherweise wieder in den Zustand eines Schlafwandlers hineingedrängt werden. Er wird gehen, und darin sehe ich unsere Chance.«
»Ich weniger.«
»Warum?«
»Weil sein Schutzengel nicht mehr ist. Wer hätte denn noch Interesse daran, sich um Toby zu kümmern? Abgesehen von uns. Die Karte könnte ausgereizt sein, John.«
»Meinst du?«
Meine Frage gefiel Suko nicht so recht. »Worauf willst du hinaus, John?«
»Auf nichts Besonderes. Es ist auch nur Spekulation, aber ich habe daran gedacht, dass die Funktion des Schutzengels ein anderer übernommen haben könnte. Dass die Engel gewechselt haben und Belial so wieder angelockt werden könnte. Vorausgesetzt, er zieht im Hintergrund tatsächlich die Fäden.«
»Oh!« stöhnte Suko auf und fuhr über seinen schweißverklebten Nacken. »Das ist mir im Moment zu hoch. Lass uns nur feststellen, dass wir keine guten Spuren haben. Wir sind darauf angewiesen, auf den Zufall zu hoffen.«
»So drastisch würde ich es nicht ausdrücken.« Für mich war das Thema zunächst einmal gestorben, denn ich wollte etwas anderes von meinem Freund wissen. »Wir hatten uns ja getrennt. Hast du auf deinem Weg hierher etwas entdeckt, was wichtig sein könnte?«
»Nein, nichts. Keinen weiteren Engel. Weder in stofflicher noch in feinstofflicher Form. Sorry, dass ich dir damit nicht dienen kann. Wir müssen schon weiter hoffen.«
Ich warf einen Blick auf das Grab. Auf ein leeres Grab. Selbst jetzt war es für mich nicht leicht, das nachzuvollziehen, was sich dort abgespielt hatte, obwohl ich selbst Zeuge gewesen war. Hatte ich durch mein Kreuz einen Engel erlöst? Wenn ja, wieso hatte sich der Engel dann zuvor in einen Menschen verwandeln können? Diese Frage quälte mich. Ich ging auch davon aus, dass er nicht vom rechten Weg abgekommen war, dann hätte mein Kreuz an seinen Enden nicht so spektakulär reagiert. Es hatte noch eine Verbindung zu den unsichtbaren Geistwesen gegeben.
Engel kann man am Geruch erkennen!
Es gibt Menschen, die sich da auskennen und dies steif und fest behaupten. Dazu musste man sicherlich eine gewisse Sensibilität mitbringen, die ich leider nicht aufweisen konnte. Zumindest war es mir bisher nicht gelungen, sie geruchsmäßig wahrzunehmen. Und auch in meiner unmittelbaren Umgebung war nichts von einem Engel zu riechen. Lavendel, Jasmin oder andere Wohlgerüche umgaben sie oft, wenn man den Engelforschern Glauben schenken sollte, aber hier war nichts zu riechen. Möglicherweise war ich auch nicht sensibel genug.
Dann wurde auch behauptet, dass gewisse Farben Engel anzogen.
Keine grellen Töne, eher bedeckte, das war auch nur Theorie. Ich selbst war noch nie direkt damit konfrontiert worden.
Zudem bewegten sich meine Gedanken noch in eine bestimmte Richtung. Das Ergebnis war noch zu trübe, als dass ich darüber sprechen konnte, denn Suko kannte mich gut genug. Er hatte längst gesehen, dass mich gewisse Dinge beschäftigten.
»He, was ist?«
Ich hob meine Schultern an. Keine Geste, die resignierend wirken sollte, doch irgendwo den Tatsachen entsprach. »Wir treten auf der Stelle, Alter.«
»Das brauchst du mir nicht zu sagen.«
»Dabei habe ich überlegt, dass es
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