Das Erbe der Apothekerin - Roman
waren entweder Mönche oder verheiratete Bürger und Edelleute.
Die wenigen Ledigen gefielen ihr entweder nicht oder sie waren – soweit es sich um Gäste des Konzils handelte – nur auf ein unverbindliches Abenteuer aus, und dafür war Magdalena sich zu schade. Aus demselben Grund hatte sie ja auch Albrecht von Meinrad zurückgewiesen.
Und die wenigen Männer, die noch übrigblieben und die sie bisher in Konstanz kennengelernt hatte? Zu alt, zu
jung, zu dumm, zu herrisch, zu angeberisch, zu kriecherisch – oder zu sehr verliebt. Nicht etwa in sie, sondern in den Alkohol! Und das war etwas, was Magdalena überhaupt nicht ertrug. Beinahe tagtäglich wurden sie und die Franziskanerbrüder mit den tragischen Folgen der Alkoholsucht konfrontiert.
Sei es, dass die Männer – im Rausch enthemmt – entweder übereinander herfielen und sich gegenseitig halbtot prügelten oder handgreiflich gegen ihre Ehefrauen und Kinder wurden. Oder aber, dass sie in weinseliger Euphorie Haus und Hof verspielten. Andere starben jung, nachdem sie ihre Leber durch den exzessiven Alkoholgenuss ruiniert hatten. Das wollte die junge Frau sich gerne ersparen.
In letzter Zeit musste sie wieder öfter an Konrad Grießhaber denken; der Besuch bei seinem Vater hatte bei Magdalena erneut an alte Erinnerungen gerührt. Was wäre gewesen, wenn …
»Ein müßiges Gedankenspiel«, schalt sie sich jedes Mal selbst und zwang sich sofort, die Empfindungen zu ignorieren. Vermutlich würde sie unverheiratet bleiben. Doch sie hätte immerhin ihr Auskommen als Apothekerin und wäre nicht darauf angewiesen, von einem Ehemann ausgehalten zu werden.
Eigentlich hatte sie es inzwischen weit gebracht: Sie war angesehen in der Stadt, denn viele verdankten ihr Gesundheit und Wohlbefinden. Selbst wenn Julius Zängle sie einmal nicht mehr beherbergen würde, müsste sie ihr Haupt nicht auf Stroh betten oder am Hungertuch nagen: Ihre Einnahmen konnten sich durchaus sehen lassen, denn die Klosterbrüder teilten ihr äußerst gerecht ihren Lohn zu.
Längst vergessen waren die Existenzängste, die sie anfangs vor allem nachts beschlichen hatten. Mit gutem Gewissen
konnte sie mit Stolz von sich behaupten, dass eine starke und selbstbewusste Frau aus ihr geworden war – wenn sie sich diese Stärke auch durch Kummer und Leid erkauft hatte.
Etwas anderes ließ ihr jedoch schon bald das Herz schwer werden: Der Gesundheitszustand ihres Schützlings Mariechen, die bereits den ganzen Sommer hindurch einen hässlichen Husten gehabt hatte, verschlechterte sich beinahe täglich. Magdalena war mit ihrem Wissen am Ende und ahnte, dass es wohl schon bald zum Schlimmsten käme.
Dann war es soweit, dass die Kleine nicht mehr zur Arbeit erschien, und als Magdalena sie zu Hause aufsuchte, war sie schon so schwach, dass man sie füttern musste. Das Schlucken bereitete ihr große Schwierigkeiten. Die meiste Zeit schlief sie ohnehin und schreckte nur dann und wann aus ihrem fiebrigen Dämmerzustand auf. Erstaunlich lange kämpfte sie gegen den Tod an, doch dann schienen die jugendlichen Kräfte endgültig aufgezehrt. Ihre Mutter Barbara schickte eines kühlen Abends ihren Ältesten, Klaus, zu Magdalena, um sie darum zu bitten, noch einmal in die bescheidene Hütte der Korbflechterleute zu kommen.
»Es wird das letzte Mal sein, dass wir Euch bitten müssen, soll ich von der Mutter ausrichten«, nuschelte Klaus, wobei er der jungen Frau nicht ins Gesicht schaute.
»Aber falls Ihr Wichtigeres vorhaben solltet, macht es auch nix.«
Krampfhaft hielt der Bursche den Blick gesenkt. Ob aus Verlegenheit oder weil er seinen Widerwillen nicht erkennen lassen wollte, war nicht ersichtlich. Die Apothekerin vermutete letzteres: Klaus empfand die schwere Krankheit der Schwester schon lange als lästig. Hatte sie ihn doch, als Mariechens Gesundheitszustand erstmals zu ernster Sorge Anlass
bot, eiskalt sagen hören: »Entweder sie steht auf und schafft, oder sie soll liegen bleiben und krepieren.«
»Natürlich komme ich mit zu deiner armen Schwester.« Magdalena sprach ruhig und sehr bestimmt. »Ich habe Mariechen versprochen, dass ich in ihrer letzten Stunde bei ihr sein werde und ihr die Hand halte, so lange, bis sie ins Himmelreich eingegangen ist.«
Und so war es denn auch: Magdalena hielt dem armen Mädchen, dem nur ein so kurzes und hartes Leben beschert war, bis zur letzten Minute die Hand, deren Druck immer schwächer wurde. Als Marie schließlich mit zuckenden Augenlidern
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