Das Erbe der ersten Menschheit (German Edition)
auf seinen Pilotensessel.
Sehen konnte er nichts, nur spüren. Er spürte, wie die Geröll-Lawine ankam. Und er spürte, wie die Bremsdüsen ihre Kraft entfalteten und das Landemodul anhoben. Viel e Reserven hatten sie nicht, denn für solch ein Manöver waren sie nicht gedacht. Aber sie brachten das Modul in die Höhe, etwa zehn Meter. Dort schwebte es ein, zwei Minuten, bis der Treibstoff zu Ende ging. Dann sackte es nach unten, erst langsam, dann schneller.
9.
Anne öffnete die Augen.
Nichts.
Sie schloss die Augen und öffnete sie erneut.
Keine Veränderung.
Bin ich blind?
War die Strahlung doch zu viel gewesen? Und die Leuchtpatrone?
Die Blitze auf ihrer Netzhaut waren verschwunden. War das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Anne atmete tief ein. Atmen ging noch, also war der Raumanzug dicht. Gut. Die Luft war anders, besser. Das Lufterneuerungsmodul schien zu funktionieren, was folglich bedeutete, dass die Störstrahlung ausgeschaltet war.
Sehr gut. Ihre Mission war erfolgreich gewesen.
Anne atmete erneut tief ein und aus. Die Luft war ganz leicht aromatisiert, um den Kreislauf anzuregen. Mit dem Ausfall der Störstrahlung war für die Menschen der Weg frei, um das Erbe der Lantis zu bergen. Das große Ziel war erreicht ! Gleichzeitig hatten Walter und sie viel Zeit gewonnen, denn jetzt konnten die hochwertigen Lebenserhaltungssysteme ihren Dienst aufnehmen.
Nur, sie sah keine Anzeigen. Nicht die geringste Kontrollleuchte in ihrem Helm war an.
Ich bin blind.
Anne zwang sich, nicht in einen Schockzustand zu verfallen. Sie war schon mehrmals so gut wie tot gewesen und hatte überlebt. Solange sie einen Liter Luft zum Atmen hatte, war es noch nicht vorbei.
Wie viel Luft hatte sie wirklich? Mangels Anzeige konnte sie das nicht feststellen. Und da sie keine Ahnung hatte, ob sie bewusstlos gewesen war, und wenn ja, wie lange, besaß sie nicht den geringsten Anhaltspunkt, wie viel Zeit ihr noch blieb. Würde ihr Leben noch Stunden dauern oder waren die nächsten fünf Minuten die letzten? Keine guten Aussichten.
Anne begann, rückwärts zwischen den Felsen nach draußen zu robben. Nach einem Meter war Schluss. Irgendetwas lag im Weg. Anne tastete nach hinten. Da lag ein Fels, der vorher nicht da gewesen war. Sie drückte mit aller Macht dagegen. Felsen waren auf dem Mond auch um ein Sechstel leichter als auf der Erde, aber sie erreichten trotzdem schnell ein Gewicht, das man nicht mehr mit Muskelkraft bewegen konnte. Annes Kräfte reichten jedenfalls nicht aus.
Sie tastete so weit wie möglich alles ab. Vergeblich. Bis auf einige Spalten, in die ihr Arm nicht bis zum Ende reichte, war alles zu.
„Walter?“, fragte sie zwischendurch immer wieder. Vielleicht hatte es ja nur eine zeitlich begrenzte Unterbrechung gegeben. Wenn die Störstrahlung ausgeschaltet war, müssten die Funkgeräte eigentlich wieder funktionieren.
Keine Antwort. Wenn sie ehrlich war, hatte sie auch nicht damit gerechnet. Ob Walter noch lebte? Irgendwas hatte mit so großer Macht an ihrem Verbindungskabel gezogen, dass es sie erst aus dem Container gerissen und dann das Kabel zerstört hatte. Vermutlich hatte das Mondbeben die wackelige Konstruktion der Felsnadel, die sie auf dem Hinweg passiert hatte, zum Einstürzen gebracht. Auf dem Weg den Hang hinab hatten die Felsen dann das Kabel mitgerissen. Wahrscheinlich hatten sie auch das Landemodul unter sich begraben. Dann ging es Walter ähnlich wie ihr, die unter den Felsen lag. Ob er noch lebte oder nicht, spielte kaum eine Rolle, eine Stunde früher oder später zu sterben machte wenig Unterschied, wenn das Ergebnis feststand.
„Mephisto“, murmelte sie. „Mephistos Kinder.“
So musste es gewesen sein. Mephisto hatte eindeutig Spuren einer Kollision aufgewiesen. Das bedeutete, dass noch mehr Teile unterwegs waren, denn eine Kollision hinterließ nie nur ein Trümmerteil. Mindestens ein es davon war auf ähnlichem Kurs wie Mephisto gewesen und hatte den Mond eben nicht nur passiert, sondern getroffen. Viele dachten, der Weltraum wäre leer und das Sonnensystem bestünde nur aus der Sonne und acht Planeten mit ihren Monden. Dabei schätzte man inzwischen über 100.000 Himmelskörper mit mehr als einhundert Kilometern Durchmesser, die unser Sonnensystem bevölkerten. Kleinere Körper gab es in und um das Sonnensystem etwa eintausend Milliarden. Täglich prasselten einhundert Tonnen Material auf die Erde nieder. Beim Mond war es wegen der geringeren Größe weniger,
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