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Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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wäre sie nicht mit Holzsammeln beschäftigt gewesen, hätte Brigitta sich am Wegesrand niedergelassen, um die Idylle zu genießen. So allerdings ging sie erneut in die Knie, um einen der dürren Knüppel aufzuheben und in das bereits überfüllte Tragegestell zu stecken.
    »Ich habe kaum mehr Platz«, teilte sie Berchta – die ebenfalls beladen war wie ein Packesel – schnaufend mit, und wieder einmal hatte sie Schwierigkeiten, die Antwort des Mädchens zu verstehen. Im breiten Dialekt der Albbevölkerung plapperte die Magd wie ein Wasserfall, sodass Brigitta nichts anderes übrig blieb, als zu raten, was die junge Frau ihr hatte mitteilen wollen. Da diese die Sichel, mit der sie kleinere Äste und Zweige von Bäumen und Büschen abhauen durften, in den Gürtel steckte, nahm Brigitta jedoch an, dass es Zeit war, sich auf den Heimweg zu machen. Eine Vermutung, die bestätigt wurde, als Berchta die stämmigen Schultern straffte, um ihre Last fester zu zurren.
    »Komm scho«, forderte sie Brigitta auf, die mit ihrer aus dem Gleichgewicht geratenden Trage rang. Als es ihr schließlich gelungen war, die Oberhand zu gewinnen, stapfte sie der Magd hinterher – den unwegsamen Berghang hinauf, hinter dem sich Altheim versteckte. Als Teil der Gemeinde gehörte der kleine Flecken Zähringen ebenfalls zu den Ländereien des Klosters Elchingen, und da Thomas und Clementine dort einen Hof bewirtschafteten, würde Brigitta vermutlich noch öfter in diese Gegend kommen. Mit einem Lächeln erinnerte sie sich an die Hochzeit der beiden, die am ersten Sonntag nach ihrer Ankunft in der Dorfkirche stattgefunden hatte.
    »I hoff bloß, des Wetter hält«, unterbrach Berchta mit einem misstrauischen Blick zum Himmel ihre Gedanken. Dort bauschten sich flauschige, weiße Wölkchen vor einem bleiernen Hintergrund in die Höhe, der sich von Minute zu Minute mehr zu verdunkeln schien. Weit entfernt, am westlichen Ende der Ostalb, zuckten bereits die ersten Blitze. Als wolle er die Sorgen des Mädchens verspotten, erhob sich in diesem Augenblick ein riesiger Milan aus einem der Baumwipfel und schraubte sich elegant in die Höhe, bevor er mit einem durchdringenden Schrei die Richtung änderte. Starr vor Verwunderung beobachtete Brigitta, wie der Vogel die Schwingen spreizte und auf die beiden Holzsammlerinnen hinabstieß.
    »Schnell, der isch gfährlich!«, warnte Berchta und nahm die Beine in die Hand, sodass Brigitta hinter ihr zurückblieb. Mehr stolpernd als laufend kämpfte sie sich den Abhang hinauf, und als ein weiteres Piuuuu die Luft durchschnitt, schickte sie einen bangen Blick über die Schulter, der sie augenblicklich furchtsam den Kopf einziehen ließ, da der Raubvogel sie mit vorgestreckten Krallen und weit geöffnetem Schnabel angriff. Bevor sie ausweichen konnte, ließ sie der Aufprall straucheln, als der Milan ihre Kiepe attackierte. Ärgerlich schimpfend gewann er daraufhin erneut an Höhe, und erst als Brigitta unter den weit ausgreifenden Ästen einiger Eichen verschwand, schien sich sein Zorn zu legen.
    »Des isch emmer so, wann er Junge hot.« Berchtas Wangen glühten erhitzt, doch es stahl sich bereits wieder ein schelmisches Grinsen auf ihr Gesicht. Lachend reichte sie Brigitta die Hand und half ihr über einen Steinhaufen hinweg, dessen verwitterte, moosbewachsene Inschrift vermuten ließ, dass es sich um die Überreste einer Wegmarkierung handelte. Schnell war der Schreck vergessen, und als mit dem plötzlich einsetzenden starken Wind der Geruch von Regen über das Land getrieben wurde, hatten die beiden Mädchen schon beinahe den Meierhof erreicht. Heulend pfiff der aufkommende Sturm über die Felder und peitschte das kniehohe Getreide hin und her. Vorbei an Kindern, die Ziegen, Schafe und Kühe in die Ställe trieben, eilten sie in Richtung Dorfplatz, auf dem sich am heutigen Abend die Gemeindemitglieder versammeln würden. Nicht nur, so hatte Berchta ihr beim Feuerholzsammeln erklärt, würden diese darüber abstimmen, wann die Ernte eingebracht werden sollte – ein Thema, das seit Zunahme der Regengüsse die Gemüter erhitzte. Es musste auch über die Entlohnung der Dorfhirten, die Versorgung des Zuchtbullen und über die Nutzung der Allmende und der Mühle entschieden werden.
    »Viele händ Angschd wägam Hongerbronna«, hatte Berchta ihre Begleiterin zudem informiert, die nach einigen Bemühungen herausgefunden hatte, dass die Dorfbewohner fürchteten, das Omen des Hungerbrunnens könne sich erfüllen und das

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