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Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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dumpfen Schmerz, dann schwanden ihr die Sinne.

Kapitel 35

    Burg Katzenstein, Mitte Juli 1368

    Heiteres Gebell erfüllte die Luft. Aufgeregt tanzten die drahtigen Bracken um die Beine der Hundeführer, die den Tieren lange Leinen angelegt hatten. Das Schnauben der Pferde und das Klirren ihres Geschirrs vermischten sich mit den Stimmen der Jäger, die den Stallburschen letzte Befehle zubrüllten.
    »Glaub mir, es wird dir Spaß machen.« Wulf von Katzenstein zwang sich, das Lächeln nicht einfrieren zu lassen, als er den mürrischen Ausdruck auf dem Gesicht seines Sohnes bemerkte. Wie beinahe ständig seit ihrer Auseinandersetzung vor zwei Wochen verriet eine steile Falte zwischen den dichten Brauen des jungen Mannes seinen Unmut, und in den bernsteinfarbenen Augen glomm ein nur schlecht unterdrückter Zorn. Er hat die Augen seiner Mutter, dachte Wulf zum ungezählten Mal, als sein Sohn nach einem kurzen, trotzigen Moment die Lider senkte und etwas Unverständliches murmelte, während er an seinem Sattelgurt herumnestelte. Der farbenprächtige Sonnenaufgang malte lange Schatten und tauchte die Jagdgesellschaft in ein warmes Licht, das schon bald vom Dunst der brütenden Hitze geschluckt werden würde. Seltsam, wie sehr die Anwesenheit des jungen Mannes den Schmerz über den Verlust seiner Mutter gedämpft hatte, dachte der Katzensteiner und stülpte den mit einer Bussardfeder geschmückten Filzhut auf den Kopf, nachdem er seinem Jagdfalken die lederne Haube aufgesetzt hatte. Einen kurzen Moment lang ließ er den Blick noch auf dem verdrießlichen jungen Mann ruhen, bevor er das Zeichen zum Aufbruch gab.
    Begleitet von einem Hornstoß trabte die Versammlung an und ritt im Gänsemarsch den Weg zum Dorf hinab, wo sie sich nach links in Richtung Härtsfeldsee wandte. Das bittersüße Gefühl, das ihn erfüllte, ließ Wulf einen leisen, undefinierbaren Laut ausstoßen. Kein Zweifel, die Leere und Trauer über Katharinas Tod würden immer ein Teil von ihm bleiben – bis er sie mit ins Grab nahm. Doch schien es im Moment so, als läge eine sonnigere, vielversprechendere Zukunft vor ihm. Voller Wärme betrachtete er das hin und her wiegende Hinterteil seiner Gemahlin, die mit ihrem Lieblingsfalken auf dem Arm gleich hinter dem Jagdmeister ritt. Wie sehr sich seine Beziehung zu ihr geändert hatte! Mit einem lustvollen Schaudern erinnerte er sich an die vergangene Nacht. Was für ein Narr er gewesen war, sie all die Jahre von sich zu stoßen! Als wolle er diese Einsicht bestätigen, warf der Falke auf seinem Handschuh den Kopf auf und ab und begann, aufgeregt hin und her zu trippeln.
    »Gleich, mein Lieber«, beruhigte er das schlanke Tier, das seine Krallen fester in das Leder grub, als er seinen Hengst zum Galopp antrieb. Und sie erwartete ein Kind! Das hatte sie ihm am Morgen nach dem Bankett anvertraut, nachdem sie sich ein weiteres Mal geliebt hatten. Sein Herz machte – wie jedes Mal, wenn er daran dachte – einen Sprung. Gott schien ein Einsehen mit ihm zu haben. Besorgt überprüfte er erneut ihren Sitz auf dem Damensattel, der ihm unsicherer erschien als sonst. Nach dem heutigen Tag würde sie die Jagd aufgeben müssen, beschloss er. Denn dieses Kind würde leben, anders als die Tochter, die er zu Grabe hatte tragen müssen. Nicht nur war es in Liebe gezeugt; er hatte auch eigenhändig mehrere Kerzen für den heiligen Joseph, den Schutzpatron der ungeborenen Kinder, entzündet.
    Er senkte den Arm ein wenig, um dem mit den Flügeln schlagenden Vogel die Balance zu erleichtern. Hart und staubig flog der ausgetrocknete Boden unter ihm hinweg, und einen Augenblick lang genoss er das donnernde Stakkato der Hufe. Wenn jetzt nur noch der Junge zu Verstand kommen würde! Nachdem er ihn eine Nacht im Angstloch hatte schmoren lassen, hatte Wulf von Katzenstein ihn am folgenden Tag in die Halle bringen lassen, wo er ihm einen Eid abgenommen hatte, nicht nach Ulm zu gehen. »Schwöre bei allen Heiligen, dass du bis zum Ablauf der Quarantäne wartest. Dann gelobe ich bei Gott, dass ich einen Ritter in die Stadt schicke, der das Mädchen hierherbringt.«
    Lange Zeit hatte der Junge sich nicht gerührt, bevor er endlich zögernd die Hand gehoben und unwillig die Worte wiederholt hatte.
    »Was auch immer ihr Vater für sie verlangt«, hatte Wulf ihm versprochen, »ich werde es ihm bezahlen. Dann kannst du mit ihr machen, was du willst.«
    Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln. Der erfolgreiche Verkauf seiner Zucht und die

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