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Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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schossen sie wie von der Sehne eines Bogens geschnellt in ein von Unkraut und Wildpflanzen überwuchertes Feld, wo sie schon bald mit steil aufgerichteten Ruten anschlugen. Begleitet von den Anfeuerungsrufen ihrer Begleiter lösten daraufhin die Jäger die Riemen und Hauben der Falken und warfen diese zum Steigen auf. Als die eleganten Vögel rüttelnd in der Luft standen, erteilten die Hundeführer den Bracken den Befehl, das Wild hochzujagen, woraufhin das halbe Dutzend Vögel augenblicklich in den Sturzflug überging. Schnell war der Spuk vorüber, und da jeder der Falken entweder ein Rebhuhn oder eine Elster geschlagen hatte, lobten die Besitzer die Tiere ausgiebig, bevor das Ganze von vorn begann.
    Bald schon langweilte Wulf das Schauspiel und deshalb – um nicht wieder in den dunklen Abgrund seiner Vorahnungen gezogen zu werden – vertrieb er sich die Zeit damit, die Mitglieder der Gruppe zu beobachten. Seinem Vater, der den Flug seines Wanderfalken angespannt verfolgte, grollte er noch immer. Vermutlich würde er ihm niemals verzeihen können, was er ihm angetan hatte. Nicht nur würde ihn die Nacht im Angstloch bis an sein Lebensende verfolgen; er würde dem Ritter auch nie vergeben, dass er ihn mit dem mehr oder weniger erpressten Eid zur Untätigkeit gezwungen hatte. Wie einfältig er gewesen war, sich auch nur einen einzigen Augenblick von den Versprechungen blenden zu lassen. Einen Schwur zu leisten! Etwas Dümmeres hätte ihm kaum einfallen können. Was nützte es ihm, Brigitta von ihrer Verlobung freikaufen zu können, wenn sie nicht mehr lebte nach Ablauf der Quarantäne? Er schluckte den Kloß in seinem Hals. Achtzehn Tage und Nächte der ungelinderten Qual lagen noch vor ihm; achtzehn Tage und Nächte, in denen er sich mehr schlecht als recht mit seinem neuen Leben abfinden musste.
    Der Wallach gab ihm mit einem ärgerlichen Stampfen zu verstehen, dass er sich langweilte, doch Wulf ignorierte die Unmutsbezeugung und grübelte weiter. Warum musste nur alles so anders sein als er es sich ausgemalt hatte?, fragte er sich verdrossen. Und warum nagte so oft ein Gefühl der Reue an ihm, dessen Ursprung er nicht genau festmachen konnte? Seine Aufmerksamkeit wanderte weiter zu Adelheid von Oettingen, die in ihrem eng anliegenden Reitgewand bezaubernd und lebensfroh aussah. Er konnte ihr ihre Feindseligkeit und Ablehnung nicht verdenken. Ihr glockenhelles Lachen zog die bewundernden Blicke ihres Gemahls auf sich, der seinen Hengst näher an ihre zierliche Stute herantrieb. Wulfs Ankunft musste für sie eine Bedrohung darstellen, da es ihr bisher nicht gelungen war, ihrem Gatten selbst einen Sohn zu schenken. Er senkte hastig die Lider, als die Hand seines Vaters sich von ihrem Sattel zu ihrem Gesäß stahl.
    Er liebt sie!, schoss es ihm mit einem Stachel des Missfallens durch den Kopf. Obschon er nicht erwartet hatte, dass sein Vater sein Leben in Enthaltsamkeit verbrachte, verletzte ihn diese Einsicht mehr als ihm lieb war.
    »Willst du nicht auch einen Falken werfen?«, fragte ihn der sommersprossige Johann von Falkenstein, dessen Vogel inzwischen zwei Elstern und ein Kaninchen erlegt hatte. »Hier.« Damit hielt er ihm den weiß-grau gefiederten Gerfalken vor die Nase, der Wulf mit schief gelegtem Kopf durchdringend anstarrte.
    »Nein, danke«, erwiderte dieser abwehrend und wies auf den Haufen Kleinwild zu Füßen der Hundeführer. »Ich finde, das ist genug.«
    Johann lachte. »Du weißt nicht, was dir entgeht.« Mit einem gutmütigen Feixen wendete er sein Pferd und trabte zurück zur Linie der Jäger, um den Vogel erneut hoch in die Luft zu schleudern.
    Wulf unterdrückte ein Seufzen und verfolgte den pfeilschnellen Sturzflug eines Wanderfalken, der mit solcher Wucht auf dem Beutetier aufprallte, dass dessen Federn durch die Luft wirbelten. Wenngleich er zuerst zornig darüber gewesen war, das Bankett versäumt zu haben, musste er im Nachhinein zugeben, dass ihm gar nicht wohl gewesen war bei dem Gedanken an all die adeligen Gäste, mit denen er Artigkeiten hätte austauschen müssen, deren Regeln er nicht beherrschte. Beinahe jeden Tag kam er sich ungeschickt und ungehobelt vor, wenn er wieder einmal etwas verpatzte, was für die anderen Knaben eine Selbstverständlichkeit war. Hatte ihn der Gedanke daran, dem Adel anzugehören, noch bis vor Kurzem mit glühender Aufregung erfüllt, sehnte er sich inzwischen immer mehr nach der Freiheit seines bürgerlichen Lebens zurück. Es war eben doch nicht

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