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Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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der anderen gesellte. Als schließlich auch der letzte Ochsenkarren voll beladen war, ließen die Fuhrleute ihre Peitschen knallen und trieben die Tiere in Richtung Straße, um im einsetzenden Nieselregen die beschwerliche Fahrt anzutreten. Wenn alles gut ging und keines der Gefährte einen Achsbruch erlitt, würden sie die knapp zwanzig Meilen bis Ulm bis zum Einbruch der Abenddämmerung zurückgelegt haben. Sollte allerdings – wie bereits über ein Dutzend Mal seit Wulfs Eintreffen vor zwei Wochen – das Rad eines Wagens brechen, hörte Wulf den Grubenmeister bereits jetzt lamentieren und zetern. Denn, wie immer in so einem Fall, würden die Besitzer des Landes, auf dem der Unfall geschah, auf die Grundruhr pochen, die ihnen das Recht gab, alle vom Wagen herabgefallenen Gegenstände für sich zu beanspruchen und sich teuer wieder abkaufen zu lassen. Da zudem die zahlreichen Straßen-, Brücken- und Torzölle den Preis für die Baumaterialien in die Höhe trieben, verstand Wulf inzwischen, warum die Verwalter und Baumeister darum bemüht waren, einen Großteil der Kirchen aus den billigen, vor Ort gefertigten Ziegeln herzustellen.
    »Was stehst du hier noch herum?«, fuhr ihn der bärbeißige Vorsteher des Steinbruchs so unvermittelt an, dass der junge Mann zusammenschrak. »Hast du nichts zu tun?« Obschon Wulf seine Arbeit gewissenhaft und pünktlich verrichtete, hatte der Meister ihn von Anfang an das ätzende Missfallen spüren lassen, das er ohne Unterschied allen Steinmetzen entgegenbrachte. Wohingegen er die Steinbrecher mit Hochachtung und einer herben Freundlichkeit behandelte, vermittelte er den Bossierern den Eindruck, sie für nicht viel besser zu halten als die von den Bauernhöfen der Umgebung angeheuerten Hilfskräfte. Eine nichtssagende Entschuldigung murmelnd, wandte Wulf dem Sklaventreiber den Rücken und zog die seit Tagen durchweichte Heuke enger um die Schultern. Wie befohlen, hatte er Schecke und Hose durch weniger auffällige Kleidung ersetzt, die jedoch inzwischen dreckverkrustet und nass war. Ob er wohl mehr Eindruck auf Ulrich von Ensingen machen würde, wenn dieser ihn so sehen könnte?, dachte er mürrisch und setzte über eine Lache hinweg, in der sich der bleigraue Himmel spiegelte. Als er sich dem windschiefen Lattenverschlag näherte, unter dessen löchrigem Dach die Behauer ihrer Arbeit nachgingen, löste sich aus der Felswand zu seiner Linken ein gewaltiger Block, den drei Steinbrecher mit Hammer, Axt und Brechstange aus den unregelmäßig verlaufenden Gesteinsschichten geschlagen hatten. Als der Brocken sich in den weichen Untergrund grub, spritzte eine wahre Schlammfontäne auf; und wenngleich Wulf mehr als zwanzig Schritt von der Stelle entfernt war, traf ihn doch der eine oder andere Klumpen im Gesicht.
    »Igitt!«, prustete er und wischte sich mit dem Ärmel über den Mund, was zur Folge hatte, dass der von allen kurz Lutz genannte Ludwig, der ebenfalls eine Ladung abgekommen hatte, sich vor Lachen krümmte.
    »Du solltest dich sehen können«, tönte der Geselle, der wie Wulf neu in den Diensten der Ulmer stand. »Eine Wildsau ist nichts dagegen!« Schelmische Falten gruben sich in die glatten Wangen des Zwanzigjährigen, und die dunklen, beinahe mädchenhaften Augen funkelten belustigt.
    »Hört, hört«, gab Wulf grinsend zurück, bevor er auf ein Stück Stoff spuckte, um sich damit zu säubern. »Wann hast du denn das letzte Mal in den Spiegel gesehen?«
    Gespielt kokett fuhr sich der andere in die viel zu langen, braunen Locken, die so verklebt waren, dass nicht einmal mehr ein Kamm sie bändigen konnte. »Wie meint Ihr das, mein Herr?«, fistelte er und klimperte mit den langen Wimpern. »Sagt Euch meine Erscheinung nicht zu?« Diese Parodie der Gemahlin seines Meisters, die er nicht müde wurde zu imitieren, erntete brüllendes Gelächter von den in der vorne offenen Hütte versammelten Steinmetzen. Anders als Wulf war Lutz nicht direkt von Ulrich von Ensingen angeheuert worden, sondern von einem der auf der Baustelle beschäftigten Meister – dessen dreißig Jahre jüngere Gemahlin offenbar kein Kind von Traurigkeit war.
    »Hier, fang!«, zischte einer der Lehrlinge und warf Wulf einen Zweispitz zu. »Der Teufel naht!«
    Geschickt fing der junge Mann das Werkzeug auf, setzte den linken Fuß auf den bereits an zwei Seiten behauenen Quader und holte gerade aus, als der Grubenmeister wortlos und mit einem giftigen Blick an dem Schuppen vorbeistürmte, um zwei junge

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