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Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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befehlen. Schließlich gab es genügend Mägde, die ihm die einsamen Stunden versüßen konnten! Er verzog das Gesicht. Auch wenn der Nachgeschmack der Liebesfreuden immer schaler wurde. Das Quietschen der Tür verriet, dass der Page mit dem Wein zurückgekehrt war. »Braucht Ihr sonst noch etwas, Herr?«, fragte der Junge unsicher und starrte auf seine Stiefelspitzen. »Stell den Krug dorthin und dann verschwinde«, befahl Wulf barsch. »Ich will nicht gestört werden«, schickte er ihm hinterher.
    Er erhob sich mit einem Seufzer und trat an das verglaste Fenster, in dem sich die Sonnenstrahlen in allen Farben brachen. Eine Zeit lang beobachtete er den Wirbel der von ihm losgetretenen Staubkörner, die in den Lichtstreifen einen torkelnden Tanz aufführten, bevor sie zurück auf den Boden sanken. Hoch oben am Himmel griff eine Saatkrähe einen mehr als doppelt so großen Milan an, der nach kurzem, heftigem Kampf das Weite suchte. Ein Teilerfolg, dachte er bitter und schlug die Augen nieder. Lediglich ein Teilerfolg. Denn am Ende gewann immer der Stärkere! So wie Ulrich von Württemberg gewonnen hatte, indem er seine Gemahlin Katharina gefangen gesetzt und so von ihrem heimlichen Liebhaber ferngehalten hatte. Der Schmerz, der sein Herz zu zerreißen drohte, ließ ihn die Zähne aufeinanderbeißen. Warum? Diese Frage quälte ihn immer noch. Warum, warum, warum? Er ballte die Fäuste und zwang sie an seine Seite, um sich davon abzuhalten, sie wie früher an der rauen Mauer blutig zu schlagen. Warum hatte Ulrich sich nicht von ihr scheiden und sie ihre eigenen Wege gehen lassen? Warum hatte er lieber das zerstört, das er liebte, als es mit einem anderen zu teilen? Wulf wusste, wie unsinnig es war, sich diese Fragen zu stellen, da er es keinen Deut anders gemacht hätte, wäre er an der Stelle des mächtigen Grafen gewesen. Auch sagte ihm sein Verstand, dass Ulrich nicht für den Pesttod der Gräfin verantwortlich zu machen war, doch sein Gefühl würde diese Tatsache bis zum bitteren Ende ignorieren. Zwar war Ulrich seiner Gemahlin vor zwei Jahren ins Grab gefolgt, doch hatte diese Nachricht nicht einmal im Entferntesten die Befriedigung gebracht, die Wulf sich erhofft hatte.
    Müde ließ er den Blick vom Himmel zu dem begrünten Kampfplatz wandern, wo sein Waffenmeister die Knappen im Schildkampf schulte. Wenn sein Sohn noch am Leben war, wäre er in dem Alter, in dem die Ausbildung zum Ritter bald abgeschlossen wäre. Er rieb sich mit den rauen Handflächen über die Augen. Wenn er doch nur Gelegenheit gehabt hätte, ihn den Umgang mit Pferd und Waffe zu lehren; ihn in den Feinheiten des ritterlichen Lebens zu unterrichten und mit ihm auf die Jagd zu reiten! Erneut presste er die Lider aufeinander und ließ sich von der Leere in seinem Inneren überwältigen.

Kapitel 5

    Donzdorf, Mitte Mai 1368

    »Los doch, diese Ladung muss heute noch raus!« Mit einer ungeduldigen Handbewegung trieb der Grubenmeister die Hilfskräfte des Donzdorfer Steinbruches an, die unter Stöhnen die von den Steinmetzen grob behauenen Quader auf die Ladeflächen der bereitstehenden Ochsenkarren hievten. Während die kleineren Steinblöcke von je zwei Männern gestapelt wurden, mühten sich vier weitere Handlanger mit einem Galgenkran ab, der von einem Laufrad angetrieben wurde. Der Kopf des jungen Burschen, der sich zwischen den Speichen des etwa zwei Fuß breiten Rades die Lunge aus dem Leib trat, leuchtete trotz der feuchten Kälte in einem satten Rotton. Nachdem vor zwei Tagen die Eisheiligen die warme Witterung mit Donnerschlag, Regen und Hagel verdrängt hatten, pfiff ein unangenehmer Wind von der Alb hinab ins Tal, das von einer Dunstglocke eingehüllt war.
    »Passt auf, dass ihr nichts beschädigt«, warnte der Aufseher und legte mit Hand an, um die Steinzange in die Löcher an den Seiten eines gewaltigen Blockes zu dirigieren. Nachdem die eiserne Hebevorrichtung gegriffen hatte, gab er dem Jungen durch einen Pfiff zu verstehen, sich erneut in Bewegung zu setzten, wodurch der schwere Brocken sich quälend langsam – begleitet vom Quietschen der Winde und dem Knarren des Krans – vom Boden hob.
    Fasziniert verfolgte Wulf, wie die Handlanger die gewaltige Last in Position zogen und schoben. Als der Stein auf Brusthöhe schwebte, wurde er von zwei Männern gepackt, die ihn vorsichtig auf einen der Wagen bugsierten. Ächzend sanken die Räder des Gefährts einige Zoll weiter in den Schlamm ein, als sich das Gewicht des Blocks zu dem

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