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Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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gestikulierende Werkmeister mit einigen Männern in eine hitzige Unterhaltung vertieft, die in ebendiesem Augenblick in einen Streit zu münden schien.
    »Gotteslästerung, das ist es, was Ihr vorhabt!«, erboste sich ein in lächerlich prunkvolle Gewänder gekleideter, an seiner Kappe als Ratsherr zu erkennender Mann, dessen Gesicht den Farbton seiner hochmodischen Schecke widerspiegelte. Mit einem silberbeschlagenen Stock wies er wütend auf ein in Leder gebundenes, aufgeschlagenes Buch im Arm des Werkmeisters, das dieser zurückzog, als habe der Mann gedroht, es zu verbrennen. Zweifelsohne handelte es sich um das Musterbuch Ulrich von Ensingens, in dem dieser alle Risse, Skizzen und Pläne den Münsterbau betreffend festhielt.
    »Aber, aber, Heinrich«, mahnte sein Begleiter, ein gebeugter, würdevoller Greis, dessen Amtskette ihn als Bürgermeister der Stadt Ulm auswies. »Solch harte Worte sind nicht nötig.«
    Einen Moment wirkte es, als wolle der Jüngere ihm über den Mund fahren, doch dann nahm er sich zusammen und neigte respektvoll den Kopf. »Verzeiht, Herr«, brachte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Aber lehrt uns nicht bereits die Heilige Schrift, dass es Blasphemie ist, ein Bauwerk so weit in den Himmel zu bauen, dass es das Reich Gottes gefährdet? Wird der Herr nicht auch die Ulmer dafür strafen, dass sie in ihrer Arroganz so blind sind zu glauben, alles erreichen zu können?« Er wies mit einer pompösen Geste auf den begonnenen Turm. »Habt Ihr und der Rat mich nicht zum Bauverwalter gewählt, damit ich die Aufsicht über dieses Unternehmen führe?«, fragte er schmeichelnd. »Gehört es nicht zu meinen Aufgaben, dafür zu sorgen, dass dieses gottgefällige Unternehmen auch genau das bleibt: gottgefällig?«
    Ein wütendes Schnauben Ulrichs ließ ihn die buschigen, dunklen Brauen zusammenziehen. »Warum sollte es Euch anders gehen als den Sündern in Babel?«, fauchte der Ratsherr.
    Der hinter seinem Herrn stehende Ortwin trat einen Schritt auf ihn zu und schob drohend die Schultern nach vorn, doch der Werkmeister hielt ihn mit einem Kopfschütteln zurück. »Herr Bürgermeister«, wandte er sich an den besorgt von einem zum anderen sehenden alten Mann. »Ihr habt mir persönlich volle Freiheit bei der Gestaltung des Turms zugesagt. Nur deshalb habe ich die Berufung nach Mailand ausgeschlagen. Wenn Ihr ebenfalls von Husens Meinung seid, dann muss ich Euch und den Rat leider auf den Vertrag hinweisen, den wir geschlossen haben.« Ulrich von Ensingen hob beschwichtigend die Hand, als der Bürgermeister etwas darauf erwidern wollte. »Aber ich bin sicher, so weit muss es nicht kommen. Seht her.« Er hielt dem Greis das aufgeschlagene Buch dicht vor die Augen. »Wie könnte Gott sich von einer solchen Huldigung beleidigt fühlen?« Der Angesprochene wiegte wackelig das Haupt hin und her.
    Wulf, der nun ebenfalls einen Blick auf die Zeichnung erhaschen konnte, blieb der Mund offen stehen. Feingliedrig und durchbrochen zeugte der Riss von einem grenzenlosen Ehrgeiz und der Bereitschaft, alles bisher Dagewesene in den Schatten zu stellen.
    »Das ist es ja genau, was ich meine!«, keifte der Bauverwalter und stocherte in dem Buch herum. »So etwas kann nicht von Menschenhand errichtet werden! Ihr seid wahnsinnig!«
    Die harten Falten um den Mund des Werkmeisters ließen deutlich erkennen, wie schwer es ihm fiel, dem Ratsherrn nicht zu sagen, was er von ihm hielt.
    Einige Zeit lang blinzelte der Bürgermeister kurzsichtig, ließ den Zeigefinger an den Linien entlanggleiten und schürzte die Lippen. »Ich denke, Ihr habt recht, Ulrich«, ließ er schließlich verlauten. »Aber wenn noch andere Heinrichs Bedenken teilen, werden wir im Rat noch einmal über den Plan abstimmen müssen.« Bevor Ulrich aufbrausen konnte, fügte er hinzu: »Es tut mir leid, aber die Stadt gibt das Geld, die Stadt hat das Sagen.« Mit diesen Worten raffte er seinen Umhang, legte dem Baumeister kurz die Hand auf den Arm und wandte sich zum Gehen.
    »Das glaube ich einfach nicht«, knurrte Ortwin, kaum dass die beiden Männer hinter dem Ziegelofen verschwunden waren. »Was zum Henker bezweckt diese Kröte von Husen?«
    Anstatt zu antworten, holte Ulrich einige Male tief Luft, klappte das Musterbuch mit einem vernehmlichen Knall zu und zuckte die Achseln. »Wir werden sehen«, versetzte er barsch und runzelte die Stirn, als sein Blick auf Wulf fiel, der sich so gut als möglich im Schatten gehalten hatte. »Du«,

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