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Das Erbe der Halblinge: Roman (German Edition)

Das Erbe der Halblinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Halblinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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wiederholen, aber ich bin überzeugt davon, dass die Lanze genau das ist: ein einfaches, schon etwas mitgenommenes Stück Eisen, das seine besten Tage ganz sicher schon hinter sich hat und eigentlich eingeschmolzen und neu gegossen gehört.«
    »U nd doch ist anscheinend Orfon nun schon der zweite Held, der mit ihrer Hilfe ein Wunder gewirkt hat«, gab Welbo zu bedenken. »E rst hat Arvan Aradis den siebenarmigen Zarton erschlagen, und jetzt…«
    »E ine Gunst des Schicksals, mehr nicht.«
    »A us der womöglich eine eigene Art von Kraft erwachsen kann?«
    »E in Kanzler, der mir so vertraut ist, dass er meine Gedanken zu erraten vermag.« Haraban nahm einen weiteren Schluck des Tranks und stieß dann die schimmernden Dämpfe durch Mund und Nase aus.
    »Z u gütig, Herr«, sagte Welbo.
    »A ber Halblinge sind ja Geschöpfe des Waldes– und ich bin es auf meine Weise auch geworden«, murmelte Haraban und hob seine Hand, die wie lebendig gewordenes Schnitzwerk wirkte.
    »H err…«, begann Welbo, der offenbar noch etwas vorbringen wollte.
    »D er späte Ruhm sei Orfon gegönnt«, sagte Haraban, und sein Gesicht verzog sich leicht. Es knarrte dabei so vernehmlich, dass man glauben konnte, ganz in der Nähe würde der Mittelsteven eines Schiffs in seine endgültige Form gezwungen und dabei das Holz beinahe bersten. »I ch will nur hoffen, dass dem König von Bagorien der Ruhm nicht allzu sehr zu Kopf steigt.«
    »R uhm ist das, wonach sich Orfon am meisten sehnt«, gab Welbo zu bedenken. »E r würde dafür alles tun und alles opfern.«
    »N icht unbedingt die beste Eigenschaft eines Herrschers«, sagte Haraban. »U nd es macht einen verwundbar. Aber diesen Aspekt der Herrschaft habe ich ohnehin schon vor Jahrhunderten hinter mir gelassen.« Ein Herrscher wie Haraban konnte nur gefürchtet werden. Das wusste er sehr genau. Noch so ruhmreiche Taten hätten ihm wohl kaum die Begeisterung und Verehrung eingetragen, die jetzt gerade Orfon zuteilwurde. Nein, für mich gibt es keine Zuneigung durch mein Volk. Nicht für mich, denn ich bin für jedermann ein Monstrum und bleibe es, ganz gleich, was ich tue, sinnierte er.
    »H err, Ihr solltet Euch selbst ein Bild von der Lage machen«, forderte Welbo. »U nd vielleicht solltet Ihr zu Eurer Sicherheit erwägen, die Stadt zu verlassen und Euch an einen sicheren Ort zurückziehen.«
    Das Zerrbild eines Lächelns erschien nun in Harabans holzigem Gesicht. Ein Lächeln, das gleichermaßen kalt, zynisch und wissend war. Glaubst du wirklich, ich wäre auf meine Augen angewiesen, um zu wissen, was um mich herum geschieht?, dachte er. Er hatte die Anwesenheit des Schattenvogels gespürt, hatte förmlich fühlen können, wie er sich niedergesenkt hatte. Haraban hatte auch die dunkle Kraft gefühlt, die dieses Wesen erfüllte. Die Kraft Ghools. Und die war jener Art von Magie ziemlich ähnlich, die es ihm erlaubte, die Zeiten zu überdauern, obwohl die Natur seinen Tod eigentlich schon vor langer Zeit vorgesehen hatte.
    Aber noch etwas anderes war Haraban aufgefallen, und das war für den Waldkönig zumindest für den Augenblick ein Grund zur Ermutigung: Er hatte gespürt, wie schwach der Schattenvogel gewesen war. Ghool hatte ihm anscheinend nicht viel Kraft mitgeben können. Wahrscheinlicher ist, dass er sich bei der Erweckung all der Wiedergänger verausgabt hat, ging es Haraban durch den Kopf. Zumindest für den Augenblick. Eine Erholungspause während der Schlacht, mehr wird uns dieser Umstand wohl kaum gewähren …
    » Ghools Schergen werden nicht angreifen«, prophezeite Haraban dem stirnrunzelnd zuhörenden Kanzler. »S ie werden Gaa weiterhin belagern und verhindern, dass wir ostwärts vorstoßen. Unser Hauptheer wird also hier gebunden sein. Während Ghool andernorts seine Horden ausschickt, um seine Herrschaft auszudehnen und zu festigen. Für uns wird es erst danach gefährlich…«
    Eine Frage stand plötzlich unbeantwortet in Harabans Gedanken.
    Zweifellos verfolgt Ghool ein Kriegsziel, das ihm in diesem Augenblick wichtiger ist als die Möglichkeit, die versammelten Könige von Athranor zu schlagen, erkannte er. Die entscheidende Frage ist: Was könnte so wichtig sein, dass Ghool dafür die Chance vergibt, seine verbündeten Feinde entscheidend und vielleicht sogar endgültig zu schlagen, noch ehe sich deren Bündnis wirklich zur Gänze formieren konnte?
    Candric von Beiderland und Kalamtar von Condenna beobachteten vom Turm aus, wie sich Hochkönig Orfon in der ganzen

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