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Das Erbe der Halblinge: Roman (German Edition)

Das Erbe der Halblinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Halblinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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überhören und lauter als das Brummen einer faustgroßen, dicken Baumfliege. Die anderen schliefen ebenfalls noch. Selbst Brogandas und Lirandil hatten offenbar Ruhe dringender nötig, als das ansonsten bei ihnen der Fall war.
    Aber Arvan spürte sofort, dass etwas nicht stimmte.
    Irgendetwas war nicht so, wie es hätte sein sollen. Dafür hatte Arvan einen sechsten Sinn. Er spürte die Anwesenheit von unzähligen Rankpflanzen, Moosen, Sträuchern und ein paar chamäleonhaften Flugechsen, die ihre krallenbewehrten Pranken in die Borke des Riesenbaums verkrallt und dort vermutlich schon einen ganzen Tag vollkommen reglos ausgeharrt hatten. Arvan fühlte selbst die Anwesenheit einiger ellenlanger Riesenraupen, die sich etwa eine Schwertlänge unter ihm durch den weichen Waldboden gruben und wohl erst wieder an die Oberfläche kommen würden, wenn dort ein lohnendes Aas zu erwarten war.
    Arvans Blick glitt zur Seite. Zalea lag in seiner Nähe. Ihr Gesicht wirkte friedlich und entspannt. Whuon hingegen lehnte halb gegen die aufragende Wurzel des Riesenbaums, eine Hand am Schwertgriff, so als wäre er jederzeit bereit, aufzuspringen und einem potenziellen Feind den Schädel zu spalten. Dann bemerkte er Neldos Lager. Er schien sich in die Satteldecke eingerollt zu haben. Aber irgendwie wirkte das… eigenartig !
    Arvan erhob sich.
    Eine unheilvolle Ahnung stieg in ihm auf. Ein Blick zu den Pferden beruhigte ihn für einen Moment, denn Neldos Reittier stand noch immer da– neben den anderen.
    Dann erreichte er Neldos Lager.
    Da war nur eine Decke, gefüllt mit Sattelzeug.
    Kein zierlicher Halbling hatte sich da zur Nacht gebettet.
    »N eldo!«, rief Arvan.
    Aber es antworteten ihm lediglich die aufdringlichen Schreie einiger Vögel, die das Gebiet wohl als ihr Revier betrachteten. »N eldo, wo bist du?«
    Nach und nach erwachten die anderen.
    »W as ist denn los?«, rief Borro. »U nd was soll vor allem der Krach?«
    »D u hattest doch Wache!«
    »J a, schon. Bin ich etwa eingeschlafen? Vor dem Frühstück sage ich nichts, da kann ich nicht richtig denken und blamiere mich nur.«
    »N eldo ist fort! Ich kann ihn nirgends entdecken!«
    »S o ein Unsinn, der ist sicher nur mal für kleine Halblinge.«
    »B orro! Als deine Wache begann– hast du ihn da noch gesehen? Ich meine ihn selbst– und nicht nur seine Satteldecke.«
    Borro gähnte. »M eine Güte, ich bin noch gar nicht richtig wach.«
    »D ann werde es besser schnell!«
    Zalea war inzwischen ebenfalls auf die Beine gekommen. »W ir sollten ihn suchen«, schlug sie vor.
    »U nd wo sollten wir deiner Meinung nach anfangen?«
    »N a, das liegt doch auf der Hand! Er hat doch schon die ganze Zeit davon gesprochen, dass er unbedingt Gomlos Baum besuchen will.«
    Arvan legte seinen Waffengurt an und streifte sich die Stiefel über. In Stiefeln zu laufen war eine Sache, an die er sich mittlerweile so sehr gewöhnt hatte, als wäre er nie ein barfüßiger Ziehsohn eines Halblings gewesen. Aber in Stiefeln zu schlafen war noch mal eine ganz andere Sache. Da bevorzugte er einfach Freiheit für seine Zehen und Knöchel.
    »D u brauchst dich nicht zu beeilen«, drang Lirandils Stimme ihm ins Ohr, als er es gerade geschafft hatte, den zweiten Stiefel anzuziehen, was immer etwas schwierig war, wenn es besonders schnell gehen sollte.
    »N eldo…«
    »I ch habe mitbekommen, was geschehen ist«, schnitt der Elb ihm das Wort ab.
    »W ir können nicht einfach zulassen, dass er…«
    »W ir müssen es sogar zulassen, Arvan. Der Gedanke daran, zu Gomlos Baum zurückzukehren, war so übermächtig in ihm, dass es nicht einmal der Feinfühligkeit eines Elben bedurfte, um das zu spüren. Dir ist es doch auch aufgefallen.«
    Arvan schluckte.
    Lirandils Worte hallten in seinem Kopf wider. Der Elb hatte von Neldos Rückkehr zu Gomlos Baum gesprochen. Nicht von einem Besuch.
    »I hr meint, wir sollen ihn einfach sich selbst überlassen?«, fragte jetzt Zalea ziemlich aufgebracht. »D as kann ja wohl nicht Euer Ernst sein!«
    Lirandil erhob sich von seinem Platz. »W ir müssen seine Entscheidung akzeptieren. Eine Entscheidung, die jedem von Euch zu jeder Zeit freisteht, wie ich betone. Neldo hat die seine gefällt. Er war schon lange nicht mehr überzeugt davon, auf dem richtigen Weg zu sein, deshalb ist es für ihn das Beste, wenn er seiner inneren Stimme folgt und zu Gomlos Baum zurückkehrt. An uns bleibt es, das zu Ende zu bringen, was wir begonnen haben.« Der Elb deutete zu den Pferden.

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