Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance
hierbleiben und das Risiko eingehen, dass sie über mich herziehen. Das ist besser, als mit ihm zu reisen und mich der Gefahr auszusetzen, dass ich Neid hervorrufe. Alles ist besser, als mit ihm zu reisen und den argwöhnischen Blick dieser Schweinsäugelein auf mir zu spüren und zu wissen, dass ich durch irgendeine Handlung - die mir noch nicht einmal bewusst war - seine Feindschaft hervorgerufen habe und nun in Gefahr bin.
Er ist eine Gefahr, er ist eine Gefahr, er ist eine Gefahr für jeden, der ihm nahekommt. Ich werde hier in Richmond bleiben und hoffen, dass die Gefahr, die sich Heinrich nennt, an mir vorübergeht und dass ich hier ruhig und in Frieden leben kann.
Ich werde mich der verängstigten Herde bei Hofe nicht anschließen. Ich werde allein bleiben wie der Gerfalke, einsam unter dem Himmelsgewölbe. Ich habe Grund zur Angst, aber ich werde nicht in Angst leben. Ich gehe das Risiko ein. Ich werde diesen Sommer für mich haben.
J ANE B OLEYN , H AMPTON C OURT , J ULI 1541
Der Herzog stattet seiner Nichte vor dem Beginn der Sommerreise einen Besuch ab und merkt sehr schnell, dass er sich keinen schlechteren Zeitpunkt hätte aussuchen können. In den Gemächern der Königin herrscht das Chaos. Nicht einmal die erfahrensten Diener, nicht einmal die Schwester der Königin oder ihre Stiefmutter können Katherines Anweisungen einen Sinn abgewinnen. Sie schwört, dass sie nicht ohne ihre neuen Kleider reisen kann, und dann fällt ihr ein, dass diese ja bereits zusammengepackt und vorausgeschickt worden sind. Sie verlangt, ihre Schmuckschatulle zu sehen, und bezichtigt eine Zofe, einen Silberring gestohlen zu haben, den sie kurz darauf wiederfindet. Sie bricht in Tränen aus ob der Zwickmühle, ob sie ihre Zobelpelze nach York mitnehmen soll oder nicht, und bleibt schließlich mit dem Gesicht in der Bettdecke vergraben liegen und verkündet, dass sie gar nicht auf Reisen gehen will, da der König ihr ohnehin kaum Aufmerksamkeit schenkt, und welches Vergnügen sollte sie in York wohl haben, wenn ihr Leben nicht lebenswert sei?
»Was zum Teufel ist da los?«, zischt der Herzog mich an, als wäre es meine Schuld.
»So geht es schon den ganzen Tag«, erwidere ich müde. »Gestern war es allerdings schlimmer.«
»Warum kümmern ihre Dienstboten sich nicht darum?«
»Weil sie ihnen in die Arbeit pfuscht und erst das eine anordnet und dann das Gegenteil verlangt. Wir haben ihre Kleidertruhe bereits zweimal gepackt und verschnürt und reisefertig gemacht. Ihre Gewandmeisterin kann nicht dafür verantwortlich gemacht werden - Katherine packt selbst immer wieder alles aus, um an ein Paar Handschuhe zu kommen, das sie angeblich sofort braucht.«
»Es ist absolut unmöglich, dass die Gemächer der Königin in einem solchen Zustand sind«, ruft er aus, und ich erkenne, dass er diesmal wirklich beunruhigt ist. »Dies sind die Gemächer der Königin«, wiederholt er. »Sie sollten würdig aussehen. Königin Katharina ...«
»... war zur Königin geboren und erzogen worden«, fahre ich fort. »Dies aber sind die Zimmer eines Mädchens, und eines verzogenen, eigensinnigen Mädchens dazu. Katherine benimmt sich nicht wie eine Königin, sondern wie ein junges Mädchen. Und wenn dieses Mädchen sein Zimmer auf den Kopf stellen will, weil es ein bestimmtes Band sucht, dann tut es dies und lässt sich von niemandem vorschreiben, wie es sich zu benehmen hat.«
»Ihr solltet sie besser im Zaum halten.«
Ich ziehe die Augenbrauen hoch. »Euer Gnaden: Sie ist die Königin. Ihr habt dieses Kind zur Königin von England gemacht. Zwischen ihrer Erziehung in einem Eurer Herrenhäuser und ihrem jetzigen Leben unter den nachsichtigen Augen des Königs hat sie keinerlei Vernunft beigebracht bekommen. Ich werde warten, bis sie zum Dinner geht, dann lasse ich alles in Ordnung bringen, und morgen ist alles vergessen. Sie wird auf die Sommerreise gehen, und alles, was sie braucht, wird bis morgen gepackt sein, und alles, was sie vergessen hat, wird sie neu kaufen müssen.«
Er zuckt die Achseln und wendet sich von dem unordentlichen Zimmer ab. »Wie dem auch sei, eigentlich wollte ich Euch sprechen«, sagt er. »Kommt doch bitte mit in den Korridor. Ich kann den Lärm dieses Weibsbildes nicht mehr ertragen.«
Er nimmt meine Hand und geleitet mich hinaus. Der Posten steht vor der Tür, und wir gehen ein Stück weiter, damit er uns nicht belauscht.
»Wenigstens verhält sie sich mit Culpepper diskret«, sinniert der Herzog.
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