Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance
»Niemand hat auch nur den Hauch einer Ahnung. Wie viele Male ist es schon geschehen?«
»Ein halbes Dutzend Mal«, erwidere ich. »Und ich bin froh, dass es kein Gerede bei Hofe gibt. Aber in ihren Gemächern wissen zumindest zwei Frauen Bescheid, weil sie sich doch verrät. Sie schaut ihm nach, wenn er vorbeigeht, und ihr Gesicht leuchtet bei seinem Anblick auf. In der letzten Woche ist sie mindestens einmal vermisst worden. Aber der König kommt jede Nacht zu ihr, und am Tage ist sie nie allein. Niemand könnte den beiden etwas beweisen.«
»Auf der Sommerreise werdet Ihr neue Möglichkeiten für die beiden finden müssen«, sagt er. »Bei einer Reise von Haus zu Haus müssen sich doch Gelegenheiten finden lassen. Es ist nicht gut für uns, wenn sie zu selten zusammenkommen. Wir brauchen einen Sohn von diesem Mädchen, sie muss besprungen werden, bis sie trächtig ist.«
Ich ziehe meine Augenbrauen hoch, als er so vulgär daherredet, aber ich nicke. »Ich werde Möglichkeiten finden«, verspreche ich. »Sie kann nicht besser planen als ein Kätzchen.«
»Lasst sie planen wie eine Hündin in Hitze«, sagt er. »Wenn er sie nur häufig genug beschläft.«
»Und meine Angelegenheit?«, erinnere ich ihn. »Ihr sagtet doch, dass Ihr schon einen Mann im Auge hättet?«
Er lächelt. »Ich habe dem französischen Grafen geschrieben. Wie würde es Euch gefallen, Madame la Comtesse zu werden?«
»Oh!«, stoße ich hervor. »Er hat schon geantwortet?«
»Er hat Interesse angedeutet. Die Höhe Eurer Mitgift muss noch festgesetzt werden, und die Erbfolge für die Kinder. Aber ich kann Euch Folgendes versprechen: Wenn Ihr es schafft, dass unser Mädchen bis Ende des Sommers guter Hoffnung ist, dann werde ich im nächsten Winter einer Madame la Comtesse die Hand küssen.«
Ich keuche fast, so aufgeregt bin ich. »Und es ist ein junger Mann?«
»Er ist ungefähr in Eurem Alter und besitzt ein ansehnliches Vermögen. Aber er würde nicht darauf bestehen, dass Ihr in Frankreich lebtet. Danach habe ich bereits gefragt. Er wäre zufrieden, wenn Ihr als Hofdame bei der Königin bleibt, und bittet nur darum, dass Ihr sowohl in England als auch in Frankreich einen Wohnsitz hättet.«
»Besitzt er ein château?«
»Fast schon einen Palast.«
»Habe ich ihn schon einmal gesehen? Kenne ich ihn vielleicht sogar? Oh, wer ist es?«
Er tätschelt meine Hand. »Habt Geduld, nützlichste aller Boleyn-Frauen. Tut Eure Arbeit, dann winkt Eure Belohnung. Wir haben doch eine Vereinbarung, nicht wahr?«
»Ja«, sage ich. »Die haben wir. Ich werde meinen Teil einhalten.« Erwartungsvoll schaue ich ihn an.
»Und ich den meinen natürlich.«
K ATHERINE , L INCOLN C ASTLE , A UGUST 1541
Ich hatte befürchtet, die sommerliche Rundreise durchs ganze Land würde schrecklich langweilig werden. Ich glaubte, überall würde das Volk uns anstarren, der König würde feierlich im Rathaus irgendwelcher Marktflecken herumsitzen, während fette Ratsherren in Amtsrobe ihn auf Lateinisch anreden - oder in der Sprache, die ich für Lateinisch halte. Thomas ist sehr frech und schwört, dass es Äthiopisch ist, weil wir uns verirrt hätten und in Afrika gelandet seien ..., aber eigentlich ist es ein kapitaler Spaß. Die Ansprachen sind wirklich äußerst öde, aber sobald sie vorüber sind, gibt es ein Maskenspiel oder einen Tanz oder sonst eine Lustbarkeit oder ein Picknick oder Ähnliches, und es macht viel mehr Spaß, Königin auf der Sommerreise zu sein als Königin am Hofe, denn alle paar Tage ziehen wir auf eine neue Burg oder in ein neues Herrenhaus, und ich habe gar keine Zeit, mich zu langweilen.
Wir sind gerade in Lincoln, deshalb hat der König angeordnet, dass ich und meine Hofdamen uns in Lincoln-Grün kleiden sollen, und unser Einzug in die Stadt glich einem Maskenspiel. Der König selbst trug Dunkelgrün und einen Bogen und einen Köcher mit Pfeilen über der Schulter und eine verwegene Kappe mit einer Feder.
»Ist er nun Robin Hood oder gleich der ganze Sherwood Forest?«, flüsterte mir Thomas Culpepper zu, und ich musste mir die Hand vor den Mund schlagen, um nicht loszuplatzen.
Er begleitet uns zu jedem Ort, er fängt meinen Blick auf und bringt mich zum Kichern, sodass selbst der langweiligste Empfang erträglich wird. Und dem König geht es viel besser, er ist besser gelaunt, und das ist eine Erleichterung für uns alle. Der Aufstand im Norden hat ihn sehr erzürnt, aber nun ist das ja vorbei, und natürlich war es
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