Das Erbe Der Loge: Roman
Peter Stösser«, wurde er noch dienstlicher, »Sie werden des Mordes an Frau Maria Zukowsky, geborene Maria Goldrausch, beschuldigt und sind vorläufig festgenommen. Bitte ziehen Sie sich an.«
Bevor ich reagieren konnte, legte mir einer der Polizisten Handschellen an und zog mich vom Sofa hoch.
»Kommissar?«, tönte es aus meinem Schlafzimmer. Wenige Sekunden später hielt mir Kögel die Pistole von Sam an einem Kugelschreiber wippend vors Gesicht. Die hatte ich völlig vergessen.
»Jetzt kommt noch illegaler Waffenbesitz hinzu«, feixte er wie Rumpelstilzchen.
»Abführen.«
Unter dem Gezeter der alten Weiber im Haus — »Wir haben es schon immer gewusst. Journalisten sind doch alles Terroristen und Kommunisten« — und dem höhnisch geifernden Grinsen des Blockwart-Hausmeisters, hatte man mich, nur mit einer Hose und meinem Schlaf-T-Shirt bekleidet, in den wartenden Wagen gezerrt.
Dafür, dass man mir die Handschellen abgenommen hatte, fiel die Tür der Zelle im Polizeipräsidium hinter mir zu.
Bleib ruhig und versuche zu verstehen, was da passiert ist, versuchte ich die aufkommende Panik in mir zu besänftigen.
Ein Waschbecken, eine Edelstahltoilette, ein mit Silberfolie bedampftes Stück Plastik als Spiegel und eine Pritsche. Es roch nach Erbrochenem und altem Fusel.
Mein Vorgänger hatte wohl hier seinen Rausch ausgeschlafen.
Es blieb mir nichts anderes übrig, als die Zeit zu nutzen und nachzudenken.
Mord. Wer war Maria Zukowsky alias Maria Goldrausch?
Odilo. Ihm konnte ich keinen Vorwurf machen. Ich hatte ihn mit dem Kasten in die Sache hineingezogen. Susanne hatte es angedeutet, dass die Analyse abrechnungstechnisch Probleme bereiten würde, und ein Konzern konnte es sich nicht leisten, meldepflichtige Proben wie einen radioaktiv strahlenden Kasten einfach verschwinden zu lassen.
Ben Gurion, Adenauer, Waldorf Astoria New York, 1953... Pistole, Mord.
Es war genau das eingetreten, was ich insgeheim befürchtet hatte.
Mein Handlungsspielraum als Mitglied der Familie war gleich null. Schlimmer, ich war auf ihre Informationen angewiesen, um zu begreifen, was da vor sich ging. Ich konnte auf keinen Fall mit den Behörden zusammenarbeiten, ohne zwischen alle Fronten zu geraten. »Hast du klasse gemacht«, haderte ich mit mir und legte mich auf die stinkende Pritsche, in der Hoffnung, ein wenig Schlaf nachzuholen. Mehr konnte ich im Augenblick nicht tun.
12.30 Uhr zeigte meine Uhr, als mich die Zellentür mit einem blechernen Geklapper weckte.
»Mittagessen«, dröhnte eine Stimme.
Ein junger Beamter setzte mir das Tablett auf das kleine Tischchen unter dem Fenster und trat wieder in die Türöffnung zurück, als warte er auf etwas.
Kartoffelbrei mit klein geschnittenen Würstchen und eine Kunststoffflasche Wasser. Besteck: eine Plastikgabel.
»Ich will sofort Kommissar Kögel und meinen Anwalt sprechen«, knurrte ich ihn an.
Er machte ein freundliches Gesicht, als müsse er einen Irren besänftigen, und zog die Tür wie zum Schutz halb zu.
»Geduld. Es braucht alles seine Zeit. Guten Appetit.«
Dann wurde das Schloss von außen eingerastet, und ich war wieder mit meinen Gedanken und diesem Fraß für Zahnlose allein.
Es schmeckte, wie es aussah, und steigerte meinen Zorn derart, dass ich alle Kraft aufwenden musste, um nicht das wenige Mobiliar im Raum zu zertrümmern.
16.30 Uhr. Nichts geschah. Ich hatte inzwischen eine Wanderung von der Tür zum Fenster und zurück aufgenommen. Vier Schritte hin, vier her. Vier Schritte hin, vier zurück.
17.30 Uhr. Ich wanderte immer noch unablässig auf und ab und hatte mir ein Spiel ausgedacht. Zwei Schritte, einmal in die Hocke gehen und die zwei verbliebenen Schritte hüpfen.
18.30 Uhr. Ich war das Spiel leid und begann mit dem Pappteller Frisbee zu spielen. Anfangs fehlte mir die Übung, aber bald hatte ich es heraus, mit welcher Drehung ich ihn starten musste, dass er nicht mehr gegen die Tür oder die Wände knallte und abstürzte. Ein bestimmter Drall, und er blieb für eine Sekunde kurz vor der Tür in der Luft stehen, um dann wie ein Bumerang zu mir zurückzukehren. Das gefiel mir, und ich überlegte, welches Spiel ich der Gabel beibringen konnte. Würde sie, wenn ich sie durch den Teller bohrte, die Flugeigenschaften verändern, und wenn ja, wie?
19.05 Uhr. Die Tür wurde geöffnet, und der junge Beamte winkte mir.
»Der Kommissar möchte Sie jetzt sprechen.«
Artig hob ich den Teller vom Boden auf und stellte ihn auf den Tisch
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