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Das Erbe Der Nibelungen

Titel: Das Erbe Der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein , Torsten Dewi
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versorgen, was das geschundene Land noch hergab. Jeder Ort auf ihrem Weg wurde geplündert, jede Frau geschändet, jedes Tier geschlachtet. Im unbedingten Willen, sich Burant untertan zu machen, war es Calder so egal wie Elsa, ob hinter ihnen etwas übrig blieb. Es würde noch Zeit genug sein, das Reich zu seiner früheren Größe zu erheben.
    Calders Stimmung schwankte stark in diesen Tagen. Meist genoss er die Macht, mit seinen Männern in ein Dorf zu reiten und zu fordern, wonach ihn verlangte. Es war eine Macht, die er als Rebell nie gekannt hatte und die sein Blut in Wallung brachte. Dann wieder saß er im Sattel, mit Elsa an der Seite, und unsichtbare Fäuste kneteten seinen Geist. Dann war er froh, endlich - wieso endlich? - nach
Worms zu reiten, als gäbe es dort etwas, das wichtiger war als alles andere. Macht, natürlich. Die Krone. Aber genau das war es eben nicht, was ihn in diesen stillen Momenten freute. Es juckte am Finger seiner linken Hand, und er wollte etwas wiederhaben, von dem er nicht wusste, was es war oder wer es ihm genommen hatte.
    Auch Elsa veränderte sich, doch sie hütete sich, Calder davon zu erzählen. Mit dem Tod ihres Vaters, den sie in ihren Eingeweiden gespürt hatte, war alles anders geworden: die Macht ihrer Blutlinie schwand, und sie fühlte es schmerzhaft deutlich. Niemand kam, wenn sie im Geiste rief, und keine Stimmen erzählten ihr von wunderbarer Rache. Wo früher ein Blick gereicht hatte, um Angst und Demut auszulösen, musste sie nun scharfe Befehle sprechen. Selbst Calder gab sich ihr nicht mehr beliebig hin, wie sie es verlangte. Elsa merkte, dass er in manchem Ort auch anderen Weibern nachschaute, egal wie sehr sie seine Lenden noch in der Nacht zuvor gefordert hatte.
    Ihr Einfluss ließ nach, und sie musste auf dem Thron sitzen, bevor es jemand merkte.
     
    Sigfinn wusste nicht, ob er wirklich hier im Wald mit Siegfried war, oder ob ihm Brunhilde nur erlaubt hatte, es mit eigenen Sinnen zu erleben. Aber der weiche Boden unter seinen Füßen fühlte sich echt an, und wenn er die Hand auf einen Baumstamm legte, konnte er die kratzige Rinde spüren. Er warf einen Blick gen Süden - nach dem, was er aus den Chroniken gelernt hatte, lag dort Worms. Das alte Worms. Mit der alten Burg. Und König Gundomar auf dem Thron.
    Nein, das war falsch.
    Wenn Siegfried auf dem Weg war, den Drachen zu töten,
dann war Gundomar bereits tot. Gunther war der König, der noch auf seine Krönung wartete.
    Und Kriemhild.
    Es war üblich, dass die Chroniken und Lieder übertrieben, aber es gab kaum einen Zweifel, dass sie die schönste Tochter Burgunds war, die das Land je gesehen hatte. Der Drang, zur Burg zu laufen, um all das zu sehen, wovon er nur gelesen hatte, war übermächtig in Sigfinn. Wem sonst bot sich so eine Möglichkeit?
    Doch er war sich schmerzhaft bewusst, dass es nur eine Sache gab, die seine Aufmerksamkeit verlangte: Siegfrieds Kampf mit dem Drachen Fafnir. In der Zeit, aus der Sigfinn kam, war dieser Kampf Grundlage unzähliger Geschichten, dargestellt auf Bildern, Wandteppichen und Wappen vieler Häuser. Sie war der Inbegriff von Heldentum und der Beweis, dass einen starken gerechten Arm niemand knechten konnte. Nicht einmal eine Bestie unter dem Schutz der Götter.
    Also drehte sich Sigfinn wieder um und folgte Siegfried mit gebührendem Abstand. Er bemerkte, dass der Wald um sie herum sich wandelte, düster und feindlicher wurde, wie er es in Burant erlebt hatte. Die Vögel verstummten, Bäume verloren ihre Blätter, und Nebelschwaden schlängelten sich um seine Füße. Einmal knickte Siegfried ein, hielt sich den Kopf und hämmerte dann mit den Fäusten auf den Boden. Er hatte große Schmerzen, das konnte Sigfinn sehen, und der Prinz von Island vermutete, dass die Nibelungen nach dem Geist ihres Herausforderers griffen.
    Aber da war noch mehr. Rostige Waffen lagen im kümmerlichen Gras, Knochen, denen bereits alles Fleisch abgenagt worden war - sichere Zeichen, dass hier schon viele mutige Männer ihr Leben gelassen hatten. Einmal fand
Siegfried sogar einen Ritter, der noch auf seinem Ross saß und von Flammen gefressen nicht einmal mehr das Schwert hatte fallen lassen können. Ein Mahnmal des Todes und Warnung an alle Eindringlinge.
    Selbst die Sonne zog sich zurück und blinzelte nur vorsichtig durch die Wipfel der hohen Eichen. Es war eine Stimmung, die Sigfinn unheimlich fand und bedrohlich. Er wusste, wonach Siegfried suchte, und er hätte ihm gerne den Weg

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