Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Erbe Der Nibelungen

Titel: Das Erbe Der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein , Torsten Dewi
Vom Netzwerk:
stürmte die ganze Stadtbevölkerung aus den Häusern und Wäldern, um sich zu wehren.
    Statt zu Hause zu sitzen und auf fremde Hilfe zu hoffen, rannten Frauen, Jungen, Mädchen und alte Männer, die kaum eine Streitaxt halten konnten, in wilder Entschlossenheit auf die feindlichen Truppen zu, die ihnen an Kampfkraft überlegen sein mochten - die jedoch der schieren Menge nichts entgegenzusetzen hatten.
    Wie Glismoda es prophezeit hatte, kamen zehn Wormser
Bürger auf einen feindlichen Krieger. Teilweise in Lumpen, teilweise nur mit Mistgabeln und Knüppeln bewaffnet, überrollten sie das, was Elsa und Calder für eine in dieser Situation unbesiegbare Streitmacht gehalten hatten.
    Sigfinn und Brynja sahen vom Hügel aus fasziniert zu.
    »Ich habe nie Vergleichbares erblickt«, murmelte Sigfinn.
    »Weil es nie Vergleichbares gab«, sinnierte Brynja. »Das Volk hätte sich auf den Straßen der Stadt gängeln und morden lassen können - stattdessen drängt es dem Gegner den Kampf in einer Masse auf, an der dieser sich verschlucken muss.«
    In wenigen Minuten waren die feindlichen Truppen wieder den Hügel hinaufgetrieben, und alles Kriegshandwerk half ihnen nicht, die schiere Menge an Leibern zurückzudrängen. Jeder Soldat, der unter einem Knüppel fiel, gab sein Schwert dem Wormser Widerstand, und wo drei oder vier Wormser auf einen Soldaten nicht reichten, kamen drei andere dazu, um ihn erst zu Boden zu reißen und dann in die Ohnmacht zu prügeln. Es war nicht ehrenhaft, es war nicht elegant - aber es war die Wiedergeburt eines Volkes, wie sie erhabener nicht sein konnte.
    »Sie sind wie Wasser«, philosophierte Sigfinn. »Als Regen und im Bach ist es zu bändigen, kann still vielfältig dienen. Doch wehe, es kommt als Sturmflut, dann reißt es auch den stärksten Mann mit sich.«
    Maiwolf ritt neben sie. Er hatte den Wormsern geholfen, ihren Angriff vorzubereiten, hatte ihnen Mut zugesprochen und sie auf Opfer eingestimmt. »Es läuft besser, als ich je zu hoffen gewagt hatte. Unsere Verluste sind gering, und dem Feind pfeift die Angst durch das Hemd. Die Überraschung war auf unserer Seite.«

    »Wird es reichen?«, wollte Sigfinn wissen. »Oder müssen wir einen umso brutaleren Gegenschlag fürchten?«
    Maiwolf hob die Schultern. »Das kommt darauf an, wie klug die feindlichen Heerführer sind - und wie versessen auf das wenige, was Burgund zu bieten hat. Ihr könnt sie sehen, wenn Ihr genau hinschaut.«
    Sein von gelblicher Hornhaut überzogener Finger zeigte nach Nordosten, zu einem der höchsten Berge der Umgebung. Eine kleine Gruppe stand dort abseits vom Schlachtengetümmel.
    Brynja und Sigfinn kniffen die Augen zusammen, um über das Tal hinwegzusehen, wem sie den Angriff auf das Reich zu verdanken hatten. Ein paar Fürsten trugen Brustwappen ihrer Provinzen, doch sie scharten sich augenscheinlich um die wahren Anstifter - einen Mann in steingrauem Wams und eine Frau von ungewöhnlich zierlicher Gestalt.
    »Ist das … Calder?«, fragte Sigfinn, und er mochte es selbst nicht glauben.
    Brynja ließ sich mit der Antwort Zeit. »Wenn er es nicht ist, haben die Götter zumindest einen sehr ähnlichen Bruder geschickt.«
    »Wie kann das sein? Calder sollte uns zu Hilfe eilen, um Hurgan zu stürzen - nicht Worms zu unterwerfen!«
    »Es scheint, als wären unsere Pläne nicht mehr die seinen«, murmelte die Fürstin wenig überrascht.
    »Das will ich nicht glauben«, sagte Sigfinn bestimmt. »Bei allen Fehlern, ein Tyrann ist er nicht. Eher vermute ich, dass er getäuscht wurde.«
    »Ihr könnt ihn fragen, wenn wir ihn beim Hosenboden packen«, knurrte Maiwolf. »Ich lasse meine Männer wissen, dass sie sein Leben schonen sollen.«

    »Wenn möglich«, schränkte Brynja ein. »Doch sollte sein Schutz auch nur einen Hasen gefährden, dann opfert ihn der nächsten Klinge.«
    Maiwolf ritt davon, und Sigfinn konnte seinen Blick nicht vom feindlichen Anführer abwenden. »Calder.«
     
    Calder hatte das Gefühl, unruhig auf der Stelle treten zu müssen, wie ein Hengst, den es zum Galopp trieb. Der Sturm auf Worms war ein Fehlschlag, das konnte jeder sehen. Statt ein Reich ohne Kriegsheer im Handstreich einzunehmen, waren sie einem entschlossenen Pöbel in die Arme gelaufen, der wie von Sinnen gegen ihre Schilde und Schwerter rannte.
    Doch schlimmer noch - Calder hatte nun gesehen, gegen wen er stand. Die Namen fielen ihm wieder ein, wie aus einem verdrängten Traum. Sigfinn und Brynja. Ihretwegen war er hier. Aber

Weitere Kostenlose Bücher