Das Erbe Der Nibelungen
Brynja. Als brauche er den Rahmen eines grausamen Bildes, züngelten die Flammen in seinem Rücken einen hässlichen Schein.
»Lass die andere leben, wenn du mich willst!«, rief Calder mit fester Stimme.
Fafnir rührte sich nicht. Kein Atem hob seine geschuppte Brust, kein Muskel spannte sich im breiten Nacken. Nur etwas heiße Luft entwich seinem Maul, zischend wie aus den Quellen auf Island. Wo das rechte Auge gewesen war, wuchs schwarzes Narbenfleisch.
»Was geschieht nun?«, fragte Brynja.
Calder hob langsam die Schultern. »Mein großes Mundwerk war alles, was ich zu bieten hatte. Deine Ahnung ist so gut wie meine.«
Fafnir machte einen Schritt auf sie zu - nur um die Pranke gleich knurrend wieder zurückzuziehen.
»Sollen wir fliehen?«, flüsterte Sigfinn, obwohl er nicht einmal wusste, ob der Drache die Sprache der Menschen verstand.
Nun öffnete die Bestie das Maul, und ein fauchendes Murmeln sammelte sich in seinem Rachen, während aus seinem Hals ein heller Schein aufstieg.
»Springt beiseite, wenn ich es sage«, knurrte Calder.
Doch Fafnirs Feueratem erstarb, bevor er entfesselt wurde.
Sigfinn spürte, wie das halbe Drachenamulett auf seiner Brust immer wärmer wurde, fast schon so heiß, dass er
es abnehmen wollte. Ein Seitenblick auf Brynja bestätigte ihm, dass es ihr ähnlich ging - durch den Stoff ihres Kleides hielt sie das Schmuckstück umklammert, damit es ihre Brust nicht länger berührte.
Dem Prinzen kam eine Idee. Eine verrückte, anmaßende, vermutlich lebensmüde Idee.
Er machte einen Schritt auf Fafnir zur.
Der Drache wich einen Schritt zurück.
Noch ein Schritt. Die gleiche Reaktion.
Noch ein Schritt - Fafnir blieb regungslos.
Nun machte die Prinzessin einen Schritt nach vorn.
Widerwillig knurrend hielt der Drache Abstand, als wären die beiden von einer unsichtbaren Mauer umgeben, die er nicht zu durchstoßen vermochte.
»Und ich dachte schon, der Tag könnte keine weiteren Überraschungen bringen«, murmelte Calder, mehr zu sich selbst als zu den anderen. Auch er setzte einen Fuß vor den anderen, und gemeinsam schritten sie auf den Drachen zu, langsam, bedächtig, aber ohne Angst. Fafnir zog sich zurück.
Calder, Sigfinn und Brynja begannen zu laufen, mit gezogenem Schwert die Bestie vor sich hertreibend. Der Wind blies ihnen heftig ins Gesicht, als sie mit den Flügeln schlug und sich vom Boden abstieß, um aus dem Sonnental zu fliegen.
»Ich kann das nicht glauben«, rief Brynja. »Er fürchtet uns!« Sigfinn blieb stehen, direkt unter dem massigen Leib des aufsteigenden Drachen, und zog das halbe Amulett an der Kette heraus. »Im Namen und im Blut des Drachentöters!«
Brynja nahm ihren Teil des Goldschmucks und hielt ihn ebenfalls gen Himmel. »Im Namen Siegfrieds!«
Mit kreischendem Gebrüll, das an einen ausbrechenden Vulkan erinnerte, drehte Fafnir ab und flog südwärts davon, durch Rauchschwaden und Flammenreste.
Calder sah Sigfinn und Brynja an und ihre Geschmeide. Sein Blick wurde hart und seine Stimme klang, als müsse er sie mühsam aus seinem Hals pressen. »Sehen wir zu, dass gelöscht wird, was noch zu löschen ist. Gerettet, wer zu retten ist.«
»Und dann?«, fragte Sigfinn.
»Dann sprechen wir die Wahrheit«, antwortete Calder.
Das Tier hinter dem Thron wütete und zerrte kreischend an seiner Kette, hüpfte auf und ab, als sei es tollwütig.
»Schweig!«, schrie Hurgan erbost, während er auf das Drachenauge in seiner Hand starrte. Es war weich und warm, und in seinem milchigen Inneren konnte er sehen, was Fafnir sah.
Drei Gestalten, lächerliche Männchen, vielleicht eine Frau dabei. Keine Gegner für den Drachen, für sein Feuer.
Und doch - Hurgan musste mit ansehen, wie Fafnir zögerte, schließlich sogar zurückzuckte. Sein Flammenatem schien ihm zu versagen, und seine schweren Krallen packten nicht zu. Stattdessen wich er langsam aus.
Wenig war genau zu sehen, und doch erkannte der ewige König, dass zwei der Menschen, vor denen Fafnir flüchtete, ihm glitzerndes Gold entgegenhielten. »Die Lichter.«
Das Tier hinter dem Thron verlor nun alle Beherrschung, brüllte und schlug den Kopf auf den Steinboden.
Hurgans Hand presste sich so fest um das Drachenauge, dass es zu zerplatzen drohte wie eine reife Frucht. »Der Drache ist nicht zu besiegen, und der Drache weicht nicht.«
Gadaric kam an seine Seite und brachte das Tier mit einer beiläufigen Handbewegung dazu, sich jaulend auf dem Boden zusammenzurollen. »Eure Majestät,
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