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Das Erbe Der Nibelungen

Titel: Das Erbe Der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein , Torsten Dewi
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Hurgan die Wange. »Sorge dich nicht - lass deinen König für dich sorgen.«
    Er lächelte dabei, doch er tat es mit kaltem Blick.
    Hinter ihm schloss Gadaric seine Augen, und Hurgan wusste, dass sein Berater nun die uralten Kräfte rief, die Macht der Dunkelheit, und von den Göttern Gehorsam forderte. So war der Pakt. Zwischen den Welten brachen die Mauern, schwappten Grenzen ineinander, die heilig waren, und das Ewige wurde infrage gestellt. Was Asgard, Midgard und Utgard trennte, löste sich auf, die Erdenscheibe wurde dünn und durchlässig. Weit in der Unterwelt hörte man den Ruf, und körperlose Wesen, grausam und gierig, krallten sich den Weg an die Oberfläche. Durch
Feuer und Erde, durch Stein und Schlamm krochen sie nach Worms, und übelriechend stiegen sie als zischelnder Nebel, träge und blutrot, aus dem Boden. So leckten sie an den Stiefeln der jungen Männer, rochen an ihren Beinkleidern, fraßen sich in ihre Poren. Und dann ritten sie das junge, ängstliche Blut, pressten das Fleisch, krümmten den Schädel.
    Kein Wormser Bürger war zugegen, keiner traute sich, das widerliche Spektakel anzusehen, als die zusammengetriebenen Männer von den Dämonen aus Utgard übernommen wurden und ihre Körper sich deformierten, bis sie alle gleich seelenlos, gleich tumb und gleich grausam waren. Was eben noch ängstliches Jungvolk war, verwandelte sich in Sekunden in Nachschub für die Horde, in bedingungsloser Unterwürfigkeit zu Hurgan, dem König.
    Ein wilder Kerl mit zotteligen Haaren versuchte noch die Flucht. Er warf sich zu Boden und schlüpfte mit erstaunlicher Behändigkeit durch die Beine der Krieger, um dann die Straße zum Marktplatz von Worms entlangzustolpern.
    Die Horden-Krieger taten nichts. Sie hatten keinen Befehl erhalten, etwas zu tun, und das war Hurgan ganz recht. Er nahm sich den Speer eines seiner Bewacher, wog ihn kurz in der Hand und warf ihn dann mit einer mächtigen Bewegung, die sein Alter Lügen strafte. Die scharf geschmiedete Spitze suchte den Rücken des fliehenden Jungen, als könne sie ihn riechen, und bohrte sich wuchtig zwischen seine Schulterblätter. Er fiel so hart auf das grob gehauene Pflaster, dass sein Gesicht aufriss.
    Hurgan gönnte sich den Zeitvertreib, den Speer eigenhändig aus dem Leib des Sterbenden zu zerren.
    »Du hast eine große Ehre leichtfertig weggeworfen«,
knurrte er. Dann trat er mit seinem Stiefel auf das Genick des jungen Mannes, bis es brach.
    Der König drehte sich um - die Verwandlung der anderen Gefangenen in Horden-Krieger war fast vollzogen. Sie würden dann nichts anderes mehr kennen als Gehorsam.
    Und nichts, das wusste Hurgan, versetzte die Menschen im Reich so sehr in Angst wie das Wissen, dass ihre Peiniger die eigenen Ehemänner und Söhne waren.
    Er hob den Speer, und die verdorbene Menge an Jugend riss fleischige Arme in die Höhe. »Hurgan! Hurgan! HURGAN!«
     
    Die Toten wurden begraben, die Verletzten versorgt, dann verließen die Rebellen die kleine Siedlung, die sie sich im Sonnental aufgebaut hatten. Auf Calders Befehl hin wurden Frauen, Kinder und Alte fortgeschickt zu Menschen, die ihnen Unterschlupf gewähren konnten und die ihres Vertrauens würdig waren. Die Übrigen zogen sich in den Wald zurück, einige Tagesmärsche vom Sonnental entfernt, wo sie aus Holz, Laub und Fellen einfache Hütten bauten.
    Es war das, was zu tun war, auch wenn es nicht das war, was getan werden musste. Sigfinn, Calder und Brynja hatten keine Ahnung, wie sie ihre Erkenntnisse in Taten umsetzen sollten. Hurgan stürzen? Das war kaum möglich. Sie standen gegen eine Streitmacht. Gegen die einzige verbliebene Streitmacht.
    Auf Calders Geheiß kümmerte sich Danain um seine beiden neuen Freunde, brachte ihnen die Grundlagen des freien Kampfes bei, des regellosen Schwertduells. Sowohl Sigfinn als auch Brynja hatten bei Hofe gelernt, was sich ziemte, wenn man einem Gegner die Klinge bot. Doch in diesem schwarzen Jahrhundert zählte das nicht mehr, und
schon die Idee, einem Feind die Zeit zu geben, sein gefallenes Schwert aufzuheben, konnte einem Todesurteil gleichkommen.
    Es gefiel Sigfinn nicht, dass Brynja sich schneller an die neuen Umstände gewöhnte, ihre schlanke Klinge flinker führte als er. Zudem war sie die einzige Frau in der Gruppe, und er bemerkte die Blicke, die ihr zugeworfen wurden, besonders, wenn die Nacht hereinbrach. Aber Calder hatte den unmissverständlichen Befehl gegeben: das Lager der Prinzessin war verbotenes Territorium.

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