Das Erbe Der Nibelungen
Niemand ahnte, dass sie oft genug unter ihren Decken lag und nichts mehr herbeisehnte als die Berührung einer starken Hand. Wenn sie dann sich selber fühlte, ihren heißen Schoß erforschte, waren ihre Gedanken nur bei Sigfinn, und in den Gedanken war er bei ihr. Doch manchmal wachte sie auch auf, spät in der Nacht, von Lust getränkt das Unterkleid und in wirren Gedanken noch die Zunge Calders spürend, die sie an den Schenkeln leckte.
An vielen Abenden saßen sie zu dritt beisammen, und abseits der anderen Rebellen erzählten sie einander Geschichten aus der Zeit, die nur sie kannten. Es war, als müssten sie sich immer wieder gegenseitig daran erinnern, um nicht mutlos und wütend zu werden. Dann tranken Calder und Sigfinn, bis sie einander mit schwerer Stimme versicherten, niemals aufzugeben.
Besonders Brynja litt unter der Ungewissheit, unter der völligen Unfähigkeit, etwas tun zu können. Natürlich konnte sie den Schwertkampf gegen zwei Männer lernen, drei auch - aber wozu, wenn die Gegner in die Hunderttausend gingen? Und sie vermisste ihre Familie, den heimischen Hof und die lauen Sommerabende mit Musik und gutem Essen.
Dieses Jahrhundert, dieses schwarze Jahrhundert, in dem sie gefangen waren, kannte nicht einmal Jahreszeiten. Es wurde nie wirklich warm und nie wirklich kalt. Kein Herbst für die Ernte, kein Frühling für die Saat. Was der Boden an Nahrung hergab, gab er nur widerwillig, darum herrschte auch überall Hunger.
In den endlosen Tagen im Wald begann die Prinzessin, sich eigene Beschäftigung zu geben, eigene Wege zu finden. Kaum eine halbe Stunde vom Behelfslager entfernt fand sie eine Stelle, an der ein kleiner Bach über einen kaum mannshohen Vorsprung sprudelte und sich in einem natürlichen Becken sammelte, bevor er weiterzog. Hier konnte sie ihr Haar waschen, ihren Körper in kaltes Wasser tauchen und ihr Gewand säubern - alles Dinge, die den Männern kaum etwas bedeuteten und deren Erledigung ihr das angenehme Gefühl gab, immer noch Frau zu sein. Sie saß in dem Becken und ließ sich bei geschlossenen Augen das Wasser auf den Rücken prasseln, bis ihre Haut runzelig wurde.
Ein Zweig knackte. Kein Geräusch, dem man in einem Wald viel Bedeutung zumaß - zumindest normalerweise. Aber in einer Welt, in der es kaum noch Tiere gab, knackten Äste nur noch selten. Brynja zog sich etwas unter den prasselnden Wasservorhang zurück, und ihre Hand tastete nach dem Schwert, das sie auch beim Bad immer neben sich liegen hatte.
Es war Calder. Er stand an einen Baum gelehnt, unangemessen entspannt, und sah sie gelassen an.
»Was gibt es?«, fragte sie.
Calder antwortete nicht. Er machte auch keine Anstalten, den Blick von ihrem nackten Körper zu wenden. Eine Gänsehaut lief Brynja über die Arme, und sie kam nicht nur von der Kälte des Wassers. Ein paar Sekunden lang
war sie unsicher, was sie tun sollte. Sie rutschte über den flachen Boden des Wasserbeckens auf den Waldboden zu, wo ihre Kleider lagen.
»Dreh dich um«, forderte sie. »Ich möchte aus dem Wasser steigen.«
Calder lächelte sanft. Statt sich von ihr wegzudrehen, kam er auf sie zu. Mit einer raschen Bewegung zog er sich das Hemd über den Kopf, und wieder einmal überraschte es sie, wie viele Narben seinen Oberkörper zierten. Mit dem nächsten Schritt streifte er Hose und Stiefel ab, ließ sie achtlos liegen. Er war nun so nackt wie sie, hatte immer noch kein Wort gesprochen und stieg so langsam zu ihr, dass sie ausreichend Zeit hatte, die Wirklichkeit mit ihren heißen Fantasien zu vergleichen.
Brynja hätte im Wasser bleiben können. Sie hätte Calder schelten können. Das Unterkleid hätte sie auch im Bach anziehen können - es wäre nass geworden, aber zumindest hätte er dann nicht gesehen, was zu sehen ihm nicht zustand.
Stattdessen stieg die Prinzessin aus dem Wasser. Keine Hast. Keine Scham. Sie nahm ihre Kleidung, ohne sie züchtig vor sich zu halten, und richtete sich auf. Mit der gleichen Ruhe, mit der Calder sich ausgezogen hatte, zog sie sich an. Sie genoss seinen Blick, der hungrig und herrisch zugleich war.
Es war der Moment, in dem Brynja ihre Macht fand. Und die Nacht, in der sie erstmals in Gedanken bei dem Rebellen war, als sie ihre Hand zwischen die Schenkel legte.
Die Seherin war nicht zufrieden, obwohl sie es hätte sein können. Die Pläne der Nibelungen waren vorerst durchkreuzt, die Welt nicht vollends ins schwarze Jahrhundert
gestürzt. Drei Lichter noch, die gegen das Dunkel
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