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Das Erbe Der Nibelungen

Titel: Das Erbe Der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein , Torsten Dewi
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als von ihm verlangt worden war. Dafür stellte er einige Fragen, unauffällig, höflich, die darin gipfelten, dass er um den Weg nach der Burg Burgund fragte. Der Blick des Händlers verdüsterte sich. »Nennt sie nicht so. Das beschmutzt das Vermächtnis seiner Könige.«
    Sigfinn verstand nicht. »Warum soll ich die Burg nicht bei ihrem Namen nennen?«
    »Es gibt keine Burg Burgund mehr, guter Herr. Ihr wollt zum Drachenfels.«
    Der Prinz ließ sich seine Überraschung nicht anmerken. »Könnt ihr mir den Weg dorthin weisen?«

    Der Händler deutete die Straße hinunter in die Ferne, den Finger dabei weit über die Köpfe der Menschen haltend. »Ihr könnt ihn kaum verfehlen.«
    Vielleicht war es der Dunst gewesen, der über der Stadt lag wie ein Leichentuch, oder Sigfinns Konzentration auf die direkte Umgebung - aber nun sah auch er in der Ferne, was nicht zu übersehen war.
    Drachenfels.
    Eine Burg größer als jede andere, in ihrer herrischen Architektur grausam und fordernd, mit Stein bis fast in den Himmel gebaut, auf hölzernen Stelzen, die an Hunderten Stellen in die Stadt unter sich griffen wie die Beine von Spinnen, oder ausgestreckte Hände mit unendlichen Fingern. Ein schlankes Zentrum hielt - nein, balancierte! - zwei Seitenflügel wie ein Mann zwei schwere Kelche mit Wein, und Wehrtürme stocherten gigantischen Speeren gleich in die Wolken. Dadurch hatte sie den Umriss eines Drachen, der auf einem Baum sitzend seine Flügel ausbreitete. Es war ein schrecklicher Anblick, ehrfurchtgebietend und beängstigend zugleich.
    Zu Fuß mochte Drachenfels noch einen Tagesmarsch entfernt sein, doch er war so mächtig und präsent, dass es Sigfinn vorkam, als starre er ihn direkt an, als starre er jeden Bewohner von Worms an, egal von welcher Seite man davorstand. Es wunderte ihn nicht mehr, dass die Menschen wie aus natürlichem Drang geduckt gingen.
    Nach allem, was der Prinz gehört hatte, war ihm klar, dass er nun gefunden hatte, was zu besiegen war, um die Dinge wieder zu dem zu machen, was sie sein sollten.
    »Hurgan«, flüsterte er.

    Das Lager, in das man Brynja und die anderen Frauen verschleppt hatte, war vielleicht ein oder zwei Tagesreisen von der Grenze des Reiches entfernt. Unendlich weit von Worms, wie sie enttäuscht festgestellt hatte. Nicht, dass es eine Chance gegeben hätte, zu entfliehen. Eine Hundertschaft Horden-Krieger bewachte die gleiche Anzahl von Frauen, die tagsüber auf den Feldern schufteten und das mühsam geerntete Gemüse nachts sortierten und schrubbten, damit es zu den verschiedenen Grenzstationen gebracht werden konnte. Rahel hatte ihr erzählt, dass es Hunderte solcher Lager gab, die ganze Reichsgrenze entlang.
    Zur Nacht schliefen die Frauen in zugigen großen Zelten, die vielleicht einmal den Römern gehört hatten und die keinen wirklichen Schutz boten vor Kälte und Feuchtigkeit. Was geerntet wurde, war für den Verzehr verboten - die Sklavinnen bekamen, was für die Grenzsoldaten als unbrauchbar aussortiert wurde: zum fauligen Wasser gab es fauliges Gemüse, und wer im Hunger nicht sorgsam abrieb, was verdorben war, konnte sich bald mit Krämpfen auf dem Laken winden.
    Das Lager war nicht nur dafür da, Lebensmittel für das Reich zu liefern. Es war dazu da, den Lebenswillen der Frauen zu brechen. Wie die jungen Männer von den Dämonen aus Utgard in Horden-Krieger verwandelt wurden, so sollten die Peitschen jede Hoffnung aus den Frauen schlagen.
    In den ersten Nächten wagte Brynja nicht, zu schlafen. Zu groß war ihre Angst und zu unbekannt die Welt der Sklaverei. Sie hatte gesehen, wie die Frauen einander selbst Feind waren, sich das wenige, was sie hatten, eifersüchtig wegnahmen. Ihre Habseligkeiten waren der Prinzessin bei der Ankunft abgenommen worden - nur das Kleid am
Leib war ihr geblieben. Und die Hälfte des Amuletts. Sie hatte es an einem Ort versteckt, an dem der Horden-Krieger nicht nachzuschauen gewagt hatte. Später hatte sie das Schmuckstück ungesehen in einer Grasnarbe vergraben, mit der festen Absicht, es sich zu holen, sobald die Zeit reif war.
    Es ging Brynja nicht gut. Nicht nur die Gefangenschaft machte ihr zu schaffen, oder die Trennung von Sigfinn - es rumorte in ihrem Leib. Vielleicht wehrte er sich gegen das schlechte Essen oder die ungewohnt harte Arbeit. Manchmal schwindelte ihr, und zur Nacht wälzte sie sich unruhig hin und her.
    Auch heute wieder.
    Ihre geschundenen Muskeln baten um Schlaf, doch ihr rastloser Geist wollte nicht folgen. In

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