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Das Erbe Der Nibelungen

Titel: Das Erbe Der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein , Torsten Dewi
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alten Thron von Island, dass es zitternd stecken blieb und sich den Versuchen, es herauszuzerren, zuerst wütend widersetzte.
    »Ist es nicht ein langweiliges Spiel, in dem es nichts zu verlieren, aber auch nichts zu gewinnen gibt?«, ertönte eine Stimme von der großen doppelflügeligen Tür, die zur geschwungenen Freitreppe führte.
    Calder wirbelte auf dem Absatz herum, in seiner Rage bereit, jeden Gegner zu attackieren. Im hellen Licht des isländischen Morgens konnte er die Gestalt, die zwischen den Türflügeln stand, zuerst nur als Umriss erkennen. Sie war schlank und von bestenfalls knabenhafter Form. Langes Haar und ein schmal geschnittener Rock verrieten dahinter die Frau.
    »Es ist angebracht, im Training zu bleiben«, sagte Calder schwitzend und keuchend, während eine Gänsehaut über seinen Körper lief. Ein kalter Hauch kam mit der unbekannten Besucherin in den Thronsaal.
    »Darf ich eintreten?«, fragte sie mit sanfter Stimme.
    Calder winkte sie herein. »Aber immer doch - es ist nicht mein Besitz, und ich teile ihn gerne.«
    Nach drei, vier Schritten wurde aus dem Schatten das
Bild einer Frau, schön und elegant, mit feinen Zügen unter dem sauber geschnittenen braunen Haar. Ihr Kleid war von mittlerem Grau und gänzlich ohne Verzierungen. Das war auch nicht nötig, denn ihr innerer Glanz schmückte sie genug.
    »Ich bin Calder«, sagte er, weil ihm nichts anderes einfiel.
    »Elsa«, sagte die junge Frau. »Mein Name ist Elsa.«

9
    Sigfinn und der Wald der Nibelungen

    Obwohl Sigfinn die Nächte immer noch im Gasthaus verbrachte, saß er die meiste Zeit im kleinen Verschlag von Glismoda und ihrem Sohn Niketas. Es war die fast schon banale Normalität, die er genoss, die warme Gesellschaft der jungen Mutter und das Gefühl von Licht in einer dunklen Welt. Er brachte dem Jungen bei, was er über die Welt wusste, und im Gegenzug erzählte Glismoda ihm von ihren Erlebnissen als Tagelöhnerin in der größten Stadt des Kontinents. Oft hockte Sigfinn einfach nur in der Ecke und las in der Chronik, die Halim ihm gegeben hatte. In der Tat war sie genau das, was er gebraucht hatte, um das schwarze Jahrhundert zu verstehen. In mächtigen Worten und düsteren Bildern wurde die Tyrannei des Drachen Fafnir beschrieben und seine Triumphe über die Schwerter der braven Männer von Burgund: Gundomar, Giselher, Gunther, Siegfried - und am Ende auch Brunhilde von Island. Erst Hurgan gelang es, den Drachen wenn auch nicht zu besiegen, dann doch wenigstens zu zähmen, und zwar für den furchtbarsten Preis von allen: er paktierte mit den Nibelungen und gewährte ihnen freien Zugang zu allem,
was Burgund gehörte. Im Gegenzug machten sie ihn unsterblich und unterstellten ihm die grausame Horde, mit der er in den kommenden zwei Generationen fast alle benachbarten Reiche unterwarf. Doch Burgund versank dabei in Schmutz und Armut, als hätte es die Kriege verloren.
    Sigfinn stieß auch auf Namen, die er bisher nicht gehört hatte: Hurgans Tochter Elea, in ihrer Grausamkeit dem Vater ähnlich, aber ungleich unberechenbarer. Gadaric, Hurgans zaubermächtiger Berater. Und immer wieder Verweise auf ein Tier, das im Schatten des Throns hauste und jeden fraß, der seinem Herrn nicht wohlgesinnt war.
    Da gab es Karten, Listen, Zeichnungen - von einem Worms, das wie ein Krebsgeschwür wuchs - und Gesetze, deren Sinn niemand verstand. Ziel des Reiches war nicht mehr der Ruhm oder der Götter Wohlgefallen. Ziel war nur noch die Ewigkeit.
    Bei den chronologisch aufeinanderfolgenden Karten der Umgebung fiel Sigfinn die ungewöhnliche Form auf, die die Stadt über die Jahrzehnte angenommen hatte: statt aus dem Zentrum heraus kreisförmig zu wachsen, glich ihr Umriss mehr und mehr einer fetten Gabel, als wäre sie im Nordosten auf einen Widerstand gestoßen, den sie nun umfloss wie zähe Molasse.
    Da war ein Wald eingezeichnet.
    Er fragte Halim danach, doch sein fremdländischer Freund tat, als gäbe es dazu keine Antwort. Er fragte Glismoda, doch auch sie blieb seltsam einsilbig. Sogar der kleine Niketas rannte davon, als Sigfinn mehr über den Wald wissen wollte. Es schien ihm, als löse schon die Frage ein Denkverbot aus, als verschließe sie eine Tür. Jeder wusste davon, aber niemand wollte darüber reden oder konnte es nicht.
    Er wusste, dass er in den Wald gehen musste, und so
packte er einen Beutel mit Essen und sein Schwert. Glismoda half ihm, wünschte ihm eine gute Reise, mied aber geflissentlich jede Erwähnung seines Ziels.

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