Das Erbe Der Nibelungen
Norden Dänemarks bis weit an die Ostgrenze Burants reichten ihre Territorien. Eine ungebrochene Kette bis zum Land der Wenden, wo man immer noch um den gestorbenen Grenzherrn trauerte und deshalb die Einladung abgelehnt hatte.
Keiner der Fürsten wusste, wer Calder war, und keiner wusste, was er vorzuschlagen beabsichtigte. Calder wusste es selbst nicht genau. Elsa hatte ihm geraten, mit neuen Verbündeten einen Gürtel um das Reich zu ziehen. Mit einer Stimme sollten sie sprechen und mit gemeinsamer Klinge das mächtige Burant angreifen. Doch das war Wahnsinn. Mit dem Drachen und der Horde war Burant unter Hurgan unbesiegbar, und es kam einem Wunder gleich, dass er sich die umliegenden Reiche nicht schon einverleibt hatte.
Calder saß auf dem Thron und ließ die Provinzfürsten ebenso warten wie seinen kleinen Hofstaat. Irgendwann tauchte Elsa an seiner Seite auf, leise und unaufdringlich.
»Sie warten.«
Calder nickte. »Sollen sie. Es wird sie Respekt vor mir lehren.«
Sie strich ihm über die Haare wie einem Kind. »Du brauchst nicht ihren Respekt. Du brauchst entweder ihre Furcht - oder ihre Gier. Beides bringt dir eine Loyalität, die jeden Respekt übertrifft.«
»Das mag sein«, schnaufte Calder verächtlich. »Aber jeder der Fürsten könnte sich Island nehmen, wenn er nur
wollte. Und keiner braucht etwas, das wir geben können. Wie also sollen sie mich fürchten - oder von mir profitieren?«
Elsa verzog schmollend das Gesicht, als habe Calder sie beleidigt. »Geliebter, habe ich dich je im Stich gelassen? Wenn du etwas brauchst, um die anderen Herrscher zu blenden, dann wirst du es bekommen.«
Sie klatschte in die Hände. Eine Tür zum Seitenflügel ging auf, und ein halbes Dutzend Isländer mühte sich an zwei schweren Kisten. Sie wurden links und rechts neben dem Thron aufgestellt. »Was ist das?«, wollte Calder wissen. »Waffen?«
»Die beste Waffe von allen«, lächelte Elsa. Auf ein Nicken von ihr wurden die Kisten geöffnet und die Deckel nach hinten geklappt.
Gold. Mehr Gold, als Calder je gesehen hatte.
»Genug, um sich die Gefolgschaft einiger tumber Provinzfürsten zu sichern, findest du nicht?«, fragte Elsa.
Calder wusste, dass es unklug war, nach der Herkunft des Schatzes zu fragen - so wie es unklug war, nach Elsas Herkunft zu fragen. Mit einer Hand fuhr er über das Gold, und es schien ihn wärmen zu wollen.
»Damit kann ich ein Heer ausrüsten«, flüsterte Calder. »Und wir werden Hurgan in die Zange nehmen.«
Elsa lachte glockenhell und doch gehässig. »Liebster, sei nicht töricht - keine Streitmacht der Welt kann den Horden widerstehen. Was du mit dem Gold kaufen kannst, ist das Stillhalten der Grenzreiche.«
Calder sah sie verwirrt an. »Stillhalten? Warum?«
Sie küsste ihn heiß und drückte ihre Hand in seinen willigen Schoß. »Wenn Hurgan von Burant fällt - und er wird fallen -, dann wird sein Nachfolger das größte Reich
der Geschichte übernehmen. Und wir können doch keine armseligen Fürsten brauchen, die dann unseren Anspruch infrage stellen, oder? Wir brauchen keinen Krieg gegen Burant - wir brauchen nur warten.«
Calder lachte wollüstig. Wann immer er dachte, Elsas Pläne zu verstehen, zeigte sie ihm einen weiteren Haken, eine weitere Finte.
Er hatte keine Ahnung, warum und wie Hurgan fallen sollte. Aber er würde bereitstehen, wenn es passierte.
Calder ließ die Provinzfürsten zu sich rufen. Es war Zeit, Freunde zu kaufen.
Sechs Monate währte die Trauer in Wenden. Die Staatsgeschäfte ruhten, die Fahnen wurden eingeholt, und Feste waren bei Strafe verboten. An jedem Sonntag läuteten die Glocken für den verstorbenen Fürsten Laertes. Zeit genug, seinen Nachfolger in die Regierungsgeschäfte einzuweihen - in diesem Fall die Fürstin Byrin.
Doch hinter den trutzigen Mauern der Burg verschwendete Brynja keine Zeit daran, sich in Papiere zu vergraben und Rechnungsbücher zu überprüfen. Mit dem Waffenmeister Maiwulf trainierte sie den Umgang mit Schwert und Axt, mit Pfeil und Bogen. Sie ließ sich die Taktiken großer Schlachten erklären, unterbrochen nur von den Zeiten, in denen sie ihre Tochter stillte. Die kleine Fynna trug sie in einer wollenen Schlinge auf dem Rücken, um sie immer an sich zu spüren. Selbst im Zweikampf legte sie das Kind nicht ab - es mahnte sie, sich mit Vorsicht zu bewegen, dem Feind niemals den Rücken zuzuwenden. Nur wenige Berater wussten von ihrer Besessenheit, von der jungen Frau zur Kriegerin zu werden. Zu
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