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Das Erbe Der Nibelungen

Titel: Das Erbe Der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein , Torsten Dewi
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geworden, der Macht verlangte, die ihm nicht gegeben war. Wenn sie erst einmal den Thron von Burant eingenommen hatten, würde Elsa ihm vier, fünf machtversessene Jahre gönnen, bevor sie selbst nach der Krone griff - über seine selige Leiche.
    Doch für den Moment war sie zufrieden, hier auf Isenstein. Der schwarze Vulkanstein entsprach ihrem Wesen, und die Unwirtlichkeit der Landschaft beruhigte sie eigentümlich.
Manchmal, besonders wenn sie Calders Ring trug, fühlte sie sich dem kleinen Reich seltsam verbunden. Es war ein ungewohnt freundlicher Gedanke, den sie unwirsch beiseitefegte.
    »Es ist dein Land - in dieser Zeit wie in jeder anderen«, sagte die Seherin. Sie saß auf einem kleinen Schemel am Ende des Wehrgangs, und ihre leeren Augenhöhlen fingen den Wind.
    »Deine Anwesenheit wird langsam zur Plage«, entgegnete Elsa trotzig. »Island bedeutet mir nichts. Wenn wir erst Burant eingenommen haben, mag es im Meer versinken.«
    »Du nennst dich wieder Elsa«, stellte die Seherin fest.
    »Elsa, Elea - es war notwendig, um Calder zu täuschen«, sagte Elsa. »Hätte ich ihm meinen wahren Namen gesagt, hätte er mich kaum so offen aufgenommen.«
    »Wie lautet dein wahrer Name?«, wollte die Seherin wissen. »Wurdest du nicht als Elsa den alten Göttern geweiht? Habt ihr nicht in leeren Jahrzehnten nur vergessen, eure Namen zu würdigen?«
    »Elea ist Hurgans Tochter«, zischte Elsa. »Und Elsa regiert mit Calder das grässliche Island.«
    »Elsa war glücklich hier, in einer anderen Zeit«, sagte die Seherin nun. »Vielleicht ist es das entfernte Echo, das dich an dieses Land bindet. Die Elsa, die du nicht bist, war gut für Island und geliebt von allen Menschen.«
    »Mir reicht es, gefürchtet zu werden«, murmelte Elsa und wusste zum ersten Mal in ihrem Leben, dass das gelogen war. »Gadaric hat es mir prophezeit - mein Vater wird fallen. Und dann werde ich regieren. Von den Bergen bis zur See.«
    Die Seherin erhob sich von dem Schemel. »Du hast dich
zum Werkzeug der Nibelungen machen lassen. Sie sind Hurgans überdrüssig und wollen dich als willfähriges Spielzeug auf dem Thron sehen.«
    »Ich tue, was ich selbst für richtig halte.«
    »Es ist ihr größtes Talent, die Menschen genau das denken zu lassen«, widersprach die Seherin.
    »Warum lässt du mich nicht endlich in Ruhe?«, herrschte die Prinzessin von Burant sie an.
    Die Seherin nickte. »Genau das werde ich tun. Und du wirst allein sein. Mehr allein, als du denkst.«
    Ihre schmale, aber drahtige Gestalt verschmolz mit den Schatten.
    Elsa drehte sich zur anderen Seite und rief wütend in den Wind: »Gadaric!«
    »Gib dir keine Mühe«, wehte es die Mauern leise entlang. »Er wird nicht mehr kommen.«

11
    Die Burg des Drachen

    Sigfinn umarmte Glismoda und drückte sie nicht nur zum Abschied, sondern auch aus Trauer um Niketas, ihren Sohn. Auf seinen Rücken hatte der Prinz von Island wieder das Schwert Nothung geschnallt, das er nun für sich beanspruchte. Den Bart trug er immer noch, als äußeres Zeichen seiner Reife.
    »Bleib bei mir«, bat Glismoda wieder. »Das wenige, was vom Leben übrig ist, will ich mit dir teilen.«
    Sigfinn strich ihr zart über das Haar. »Du hast mehr Leben verdient, Glismoda. Und ich bin hier, um es dir zu geben. Doch dafür muss Hurgan fallen.«
    »Habe ich denn nicht schon alles verloren? Musst du dich den Horden auch noch in die Klingen stürzen?«
    Er hatte keine Antwort. Er wusste ja selber nicht, wie er an Hurgan herankommen sollte. Aber Niketas Tod hatte ihm klargemacht, dass keine Zeit zu verschwenden war. Sigfinn konnte nicht auf Brynja und Calder warten. Was zu tun war, lag an ihm. Dafür trug er das Schwert seines Geschlechts.
    »Darf ich für dich beten?«, fragte Glismoda nun. »Und zu welchem Gott?«

    Sigfinn nickte. »Zu jedem Gott, der deinen Glauben hat. Vielleicht findet sich darin eine Gnade, die bisher verweigert wurde.« Er zog den Kopf ein, um durch den niedrigen Ausgang aus dem Verschlag zu treten.
    »Ragnar«, sagte Glismoda noch einmal. »Bitte …«
    Er drehte sich ein letztes Mal zu ihr um. »Bete nicht für Ragnar. Bete für Sigfinn.«
    Sie verstand nicht, was das bedeutete, doch sie nickte.
    Drei Horden-Patrouillen musste Sigfinn im Licht der sinkenden Sonne ausweichen, indem er sich in Schatten und Seitengassen drückte. Es war so, wie Glismoda es gesagt hatte: die Krieger waren wie wilde Hunde, die man von der Kette gelassen hatte. Jeder Gleichschritt war verloren, und mit

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