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Das Erbe Der Nibelungen

Titel: Das Erbe Der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein , Torsten Dewi
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Was er hinterlässt, ist niemals seine Sorge.«
    Sigfinn war müde, und sein Körper schmerzte an mehr
Stellen, als er zu zählen imstande war. Vor allem aber war er Hagens überdrüssig, der noch keifte, wo er längst verloren hatte. Seine Seele war durch und durch verdorben und keinen weiteren Gedanken wert. Also packte er den Tyrannen bei den Schultern und zerrte ihn von der Eisenspitze herunter. Hagen stöhnte im Schmerz, und das Blut, das nun austrat, würde ihm bald fehlen, um zu leben. Doch das war Sigfinn nicht genug - er nahm Hagen wie einen Freund auf die Arme und trug ihn zum gähnenden Loch in der Wand, wo früher der Balkon gewesen war.
    »Mein … Worms«, stammelte Hagen, während auch der letzte Rest Leben aus seinem Körper floh.
    Trotz seiner eigenen Verletzungen gelang es Sigfinn, Hagen über seinen Kopf zu stemmen und dann mit Wucht auf die Trümmer zu seinen Füßen krachen zu lassen, auf dass ihm auch die letzten Knochen brachen. Dann trat er den winselnden Körper weit genug nach vorne, dass er vom bröckelnden Rand des Saals in die Tiefe stürzte. Ein, zwei Mal hörte Sigfinn ihn dabei auf Mauern und Treppen prallen, bevor er auf dem Boden aufschlug. Aus vielen Kehlen wehte ein Schrei zu ihm herauf.
    »Verbring deinen letzten Moment bei deinem Volk«, flüsterte Sigfinn.
    Dann drehte er sich um und ging in den Thronsaal zurück. Die ganze Burg begann zu zittern und zu ächzen.
     
    »Ich hatte gedacht, die Götter würden eingreifen«, sagte Regin und schnäuzte sich in den Ärmel seines Hemds. »Sigfinn durchkreuzt schließlich, was sie entschieden haben.«
    Die Seherin ließ sich den frischen Wind durch die Haare
wehen und blickte ohne Augen vom Hügel hoch über dem Rhein zu Burg Drachenfels, die gerade von Fafnir schwer getroffen worden war. »Auch deine Nibelungenbrüder haben ihre Stimmen nicht erhoben.«
    »Wir haben uns gelangweilt«, gestand Regin. »Zuerst war es erregend, das Reich zu gestalten. Doch die Geschicke der Menschen sind erschreckend banal, und sie zu leiten ist von ödem Kleinmut geprägt.«
    »Vielleicht haben die Götter eingesehen, dass nur geschieht, was geschehen muss. Du kannst einen Fluss stauen oder umleiten - aber am Ende will er zurück in sein Bett und den vorherbestimmten Weg nehmen. Mit der Zeit ist es nicht anders.«
    »Aber der Fluss ist nicht in sein angestammtes Bett zurückgekehrt«, hielt Regin dagegen. »Sigfinn und Siegfried schreiben nur die Geschichte dieses Reiches fort.«
    »Es gilt noch einige Räder zu drehen«, stimmte die Seherin zu.
    Eine Weile schwiegen sie, genossen die vielen Lichter von kleinen Fackeln, die durch die Wormser Straßen zu schweben schienen. Bürger ohne Angst in einer Stadt, die wieder ihnen gehörte.
    »Ich kann nicht begreifen, wie du es hundert Jahre ertragen konntest«, sagte Regin schließlich. »Siegfrieds Leid. Gerade du. Du kannst kein Herz mehr haben.«
    »Ich wünschte, es wäre so«, antwortete die Seherin. »Mein Herz brach jeden Tag aufs Neue. Kein Tod könnte schlimmer sein als der, den ich immer wieder gestorben bin. Seinetwegen habe ich mir die Augen genommen - um es nicht sehen zu müssen.«
    Regin schüttelte sich bei dem bloßen Gedanken. »Wir haben ihn beide geliebt, auch wenn unsere Wege sich kaum
kreuzten«, murmelte er. »Wir hätten damals Freunde sein können - als wir Menschen waren.«
    »Ich möchte zu ihm.«
    »Dann will ich dich nicht aufhalten.«
    Die Seherin ging ein paar Schritte den Hügel hinab, bis ihre Füße den Boden nicht mehr berührten. Aus ihrer schwarzen Kutte wurden Flügel, dann Schatten und schließlich nichts mehr.
    Regin setzte sich in das morgenfeuchte Gras. Der Tau benetzte seine Hose, und er dachte darüber nach, seinen Körper aufzugeben, um zu seinen Brüdern zurückzukehren. Mensch zu sein war … einengend. Aber dafür war noch Zeit. Morgen. Nächste Woche. Oder wann immer das letzte Kapitel dieser Geschichte geschrieben war.
     
    Die Bürger von Worms hatten den Drachen sterben sehen, aber sie konnten nur vermuten, dass der Tyrann mit ihm ins Totenreich gefahren war. Dann fiel Hurgans geschundener Körper in ihre Mitte. Sie sahen ihn an, ungläubig zuerst und dann mit erleichtertem Erstaunen. Eine alte Frau stieß die Leiche mit einem Stock, dann trat ein Junge gegen den Kopf, so dass das Genick knirschend brach. Ein dicker Wirt mit umgebundener Schankschürze nahm einem unbeweglichen Horden-Krieger die Lanze aus der Hand und rammte sie mit aufwallender Wut dem

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