Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
Vom Netzwerk:
meinte Montalban mürrisch. Bliden und Katapulte galten als Angriffs-, nicht als Verteidigungswaffen.
    »Die lassen sich ja bauen!«, beschied ihn Miriam.
    »Wir haben auch keine Blidenmeister«, fügte der Burgvogt hinzu.
    Miriam spielte mit ihrem Astrolabium. Sie wurde langsam wirklich wütend. »Monsigneur, ich führe Berechnungen mit diesem Gerät durch, seit ich sechzehn Jahre alt bin. Ich zeichne Sternenkarten. Und da glaubt Ihr wirklich, ich könnte nicht die Flugbahn einer Kanonenkugel berechnen und die Wucht und Höhe des zum Abfeuern nötigen Holzgerüstes? Und ein paar Schreiner werden sich ja wohl finden.«
    Salomon lächelte. »Ich könnte es auch«, sagte er milde. »Falls Ihr der Herrin Ayesha nicht vertraut …«
    Miriam warf dem Medikus einen erbosten Seitenblick zu.
    »Und sonst …« Geneviève erhob die Stimme. Nicht so laut, wie sie gewöhnlich sprach, und nicht so klangvoll, sondern tonlos, dumpf und abgehoben, als weile sie gar nicht wirklich auf der Erde. »Sonst können wir Blidenmeister herholen. Wir … wir haben Geld …«
    Wie nebenbei zog Geneviève den Goldbeutel aus der Tasche. Pierre de Montalban warf einen fassungslosen Blick auf die herausquellenden Goldmünzen.
    »Geneviève! Das ist ein Vermögen! Woher …«
    »Fragt nicht!« Die Maurin schüttelte den Kopf.
    Aber Geneviève antwortete stolz. »Ihr habt mich ausgesandt, Vater, meine Pflicht gegenüber dem Grafen und meinem Volk zu erfüllen, und ich habe mein Bestes getan. Nun ist es an Euch. Verteidigt die Burg!«

Kapitel 4
    I ch kann mich noch genau erinnern, wie dieses Dorf gegründet wurde!«, sagte Gerlin huldvoll.
    Sie blickte beinahe gerührt auf die schmucken Bauernhäuser und fruchtbaren Felder, denen ein großer Teil der Buchenwälder zwischen Lauenstein und der Grenze zum Bistum Bamberg hatte weichen müssen. Als sie zweiundzwanzig Jahre zuvor nach Lauenstein gekommen war, war hier noch dichter Urwald gewesen, durchzogen von schmalen Pattwegen, die man kaum Straßen nennen konnte. Dietrich, ihr erster Gatte, hatte sie mühsam instand halten lassen, aber der Wald nahm sie schneller wieder in Besitz, als die Arbeiter sie freischneiden konnten. Insofern war der Graf auch nicht abgeneigt gewesen, als ihn eine Gruppe junger Bauern, zweite und dritte Söhne, die in ihren Heimatdörfern nichts zu erben hatten, um Land für ein neues Dorf baten. Anlässlich der Geburt des Erben nannten sie die neue Siedlung Dietmarsdorf. Am Anfang hatte es bezüglich der Gründung etliche Streitigkeiten und Verwirrungen mit dem Bamberger Bischof gegeben. Einmal war das Dorf sogar zerstört worden. Umso glücklicher machte es Gerlin heute, es gedeihen zu sehen. Der Bauer Loisl, Anführer der ersten Siedler und nun stolzer Dorfvorsteher, hatte seine alte Herrin und Dietmar freudig empfangen. Die Bauern von Dietmarsdorf waren allerdings nicht die Einzigen.
    Tatsächlich hatten die Belagerer von Lauenstein über mangelnde Beute nicht zu klagen – wobei sie gar nicht zu brandschatzen und zu plündern brauchten, um sich den Zehnten der Landbevölkerung zu holen. Der stand zwar eigentlich dem Herrn der belagerten Burg zu, aber nach Gerlins Rede zu Beginn der Belagerung konnten die Dorfvorsteher gar nicht schnell genug um Audienz bei ihrer alten und rechtmäßigen Gräfin nachfragen. Die Bauern und Handwerker der Grafschaft Lauenstein liefen mit fliegenden Fahnen zu Dietmar und Gerlin über – mit Rolands Herrschaft waren sie nie zufrieden gewesen.
    »Die haben uns ausgeblutet, Herrin!«, erzählte Loisl, der schon immer sehr freiheraus gewesen war. »Die fragten nicht nach dem Zehnten und danach, ob einer zahlen konnte oder nicht.« Im Allgemeinen war es üblich, Zahlungen auszusetzen oder ganz darauf zu verzichten, wenn ein Bauer unverschuldet in Not geraten war. »Die nahmen, was sie brauchten, oder besser, was sie wollten. Und wenn wir Pech hatten, dann wollten sie auch noch unsere Frauen und Töchter, wir konnten uns doch nicht wehren. Nein, Herrin, wenn Ihr uns Schutz versprecht, dann zahlen wir von jetzt an lieber an Euch!«
    Gerlin begann sofort, ein Hauptbuch zu eröffnen und ritt in Begleitung ihres Gatten von Dorf zu Dorf, um sich die Höfe anzusehen und die Abgaben festzulegen. Gerlin hätte Dietmar dabei gern häufiger an ihrer Seite gehabt.
    »Der Junge hat ja bisher nur kämpfen gelernt, es wird Zeit, dass er versteht, wie man eine Grafschaft führt!«, argumentierte sie, »aber da drückt er sich, wo’s nur möglich ist.«
    Florís

Weitere Kostenlose Bücher