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Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin

Titel: Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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nichts mehr von ihren Schwestern gehört hatte. Als ihr Namenstag gekommen war, der Tag, an dem sie sechzehn Winter zählte, hatte sie nichts mehr aufhalten können. Alles Bitten, alles Flehen und alle Strenge der Mutter blieben vergebens. Maylea war fest entschlossen, wie die anderen Frauen im Matriarchat der Wunand zum Pass zu ziehen, um ihre Heimat zu verteidigen. Sie konnte es kaum mehr erwarten, die geliebten Schwestern endlich wieder zu sehen.
    Nun hatte sie ihr Ziel beinahe erreicht. Nur dieses eine Nachtlager, das sie zusammen mit den anderen Kriegern der Vorhut am Ufer des Imlaksees errichten sollte, trennte sie noch von der Festung, auf deren Wehrgängen sie im Traum schon so manchen Kampf gefochten hatte.
    Maylea atmete tief ein, schnalzte leise mit der Zunge und gab der braunen Stute durch einen sanften Druck mit den Fersen zu verstehen, dass es weiterging. Das Tier trabte gehorsam den Hügel hinab auf eine Wiese, wo die anderen bereits alles für die Ankunft des Heeres vorbereiteten, das noch vor Mitternacht erwartet wurde.
     
     
     
    Als sich die Sonne dem Horizont zuneigte, führte Bayard den Spähtrupp nach Norden. Sie überquerten den Mangipohr auf der Brücke von Thel Gan und ritten zunächst ein Stück entlang der breiten staubigen Straße, die zur Festung am Pandaras führte. Dann schwenkten sie nach Osten und hielten sich in der Nähe des Waldes. Der Heermeister forderte die Krieger nachdrücklich auf, die Augen offen zu halten und den Himmel im Norden nach Lagaren abzusuchen. Denn nach dem, was Ajana berichtet hatte, stand zu befürchten, dass die Uzoma noch einmal nach Lemrik fliegen würden, um nach den vermissten Kriegern zu suchen.
    Doch der Himmel blieb leer. Nichts Verdächtiges regte sich, so weit das Auge reichte, und als die Herbstsonne schließlich über den Gipfeln des Waldes im Westen stand, behinderte der zunehmende Dunst die Sicht der Krieger so sehr, dass selbst Bayard es aufgab, nach den unheilvollen Echsen Ausschau zu halten.
    Nur Keelins Falke hielt noch Wacht.
    Die kleine Gruppe folgte dem flachen, schilfbewachsenen Ufer des Mangipohrs, der die Ebene südlich des Pandarasgebirges durchschnitt und schließlich in einem sumpfigen, breit gefächerten Delta im schwarzen Ozean mündete.
    Ajana saß vor Keelin auf dem Rappen des Falkners. Er lenkte das Pferd sicher mit einer Hand und hielt sie mit dem anderen Arm umfasst. Unterwegs hatte er immer wieder versucht, ein paar Worte mit ihr zu wechseln, doch Ajana war nicht nach Reden zumute. Nach den schrecklichen Ereignissen des vergangenen Tages fühlte sie sich wie ausgebrannt. Die Leere in ihr war so durchdringend, dass sie nicht einmal mehr Müdigkeit verspürte.
    Unmittelbar bevor sie aufgebrochen waren, hatte Bayard sie gefragt, ob sie reiten könne, und ihr Hinuns Pferd angeboten. Zuerst hatte sie genickt, dann aber zu Bedenken gegeben, dass sie sich noch nicht in der Lage fühlte, einen längeren Ritt durchzustehen.
    Dankbar hatte sie Keelins Angebot angenommen, mit ihm zu reiten, und nachdem sie nun schon so lange ohne Rast in dem unzugänglichen Gelände unterwegs waren, bereute sie ihre Zurückhaltung nicht. Zum ersten Mal, seit sie in diesem seltsamen Land erwacht war, verspürte sie eine Art Sicherheit. Man behandelte sie mit großem Respekt, und alle zeigten sich sehr um ihr Wohl bemüht.
    Das Reiten verursachte ihr Schmerzen, aber Keelins Nähe tat ihr gut. Der höfliche junge Falkner mit den warmen, dunkelbraunen Augen war ihr auf Anhieb sympathisch, und der sanfte Druck seines Arms, mit dem er sie um die Taille fasste, vermittelte ihr ein wohltuendes Gefühl von Geborgenheit.
    Schweigend ritt sie mit ihm dahin. Versunken in die eigenen Gedanken, versuchte sie, die schmerzende Wunde nicht weiter zu beachten, und betrachtete die vorbeiziehende Landschaft, ohne die Eindrücke wirklich in sich aufzunehmen. Die Leere in ihrem Innern ließ nicht zu, dass sie einen Gedanken lange verfolgte. Sie trank gehorsam, wenn Keelin ihr den Wasserschlauch reichte, und aß das Brot, das er ihr gab, ohne Hunger zu verspüren. Dabei wirkte sie nach außen hin ruhig und erstaunlich gefasst. Doch der Eindruck täuschte.
    Hin und wieder tastete sie in der Tasche ihrer Hose verstohlen nach dem Runenamulett. Es grenzte an ein Wunder, dass sie es unter dem Schutt und der Asche tatsächlich wieder gefunden hatte, und sie war über die Maßen erleichtert, es bei sich zu wissen. Niemand hatte gesehen, wie sie es vom Boden aufgehoben und hastig in

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