Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin
»Richtig. Das ist vermutlich auch der Grund, warum sie nicht überraschend angreifen. Sie haben noch nicht die ausreichende Anzahl an Flugechsen gezähmt und ausgebildet, die sie für einen solchen Angriff benötigen.«
»Bei Callugars scharfem Schwert!«, entfuhr es Javier. »Wie viel Zeit bleibt uns noch?«
»Ich fürchte, nicht mehr viel.« Gathorion schüttelte betrübt den Kopf. »Wenn es sich so entwickelt wie bisher, vielleicht noch einen halben Silbermond. Wenn wir Glück haben, etwas länger.«
»Was können wir tun?«, warf Lazar ein.
»Wir brauchen mehr von den großen Pfeilkatapulten. Mindestens zwölf« Gathorions Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass er diese Frage genauestens erwogen hatte. »Alle verfügbaren Männer müssen sich unverzüglich an die Arbeit machen. Die Katapulte müssen in der Lage sein, mindestens zwei Pfeile gleichzeitig abzuschießen. Und wir brauchen Pfeile, Hunderte lange Pfeile mit sehr scharfen Spitzen, die die Haut der Echsen mühelos durchdringen.« Er verstummte und ließ den Blick über die Gesichter der Versammelten schweifen. Die grimmige Entschlossenheit, die er darin las, gab ihm Anlass zur Hoffnung, doch Hoffnung allein reichte nicht aus, wenn seine Vermutungen der Wahrheit entsprachen. »Sollte es zu einem solchen Lagarenangriff kommen, haben wir nur eine Möglichkeit«, erklärte er. »Wir müssen die Flugechsen vom Himmel holen, ehe sie die Festung erreichen. Dann wird sich die tödliche Fracht über das Heer der Uzoma ergießen und sich gegen deren eigene Reihen wenden. Wenn uns das gelingt, haben wir gute Aussichten, die Schlacht zu gewinnen.«
»Die Schlacht, nicht aber den Krieg«, warf Bayard ein. »In all den Wintern, die wir den Pass gegen die Uzoma verteidigen, haben sie beständig an Macht gewonnen. Die Fähigkeit, nun auch die Flugechsen der Wüste für Angriffe einzusetzen und feuriges Wasser über die Berge zu schaffen, ist nur der Anfang einer schleichenden Entwicklung, die mir große Sorgen bereitet. Wie lange werden wir uns den immer mächtigeren Waffen der Uzoma widersetzen können? Wie lange können wir dem Druck noch standhalten? Selbst wenn es uns diesmal gelingen sollte, den zu erwartenden Angriff anzuwehren, ist es wahrscheinlich nur mehr eine Frage der Zeit, bis der nächste Angriff erfolgt. Und dann?
Als ich das zerstörte Lemrik sah, wurde mir bewusst, dass die Uzoma mächtige Verbündete haben müssen. Verbündete, die ihnen die nötigen Mittel an die Hand geben, sich mit den gefährlichen Lagaren zu verbünden oder sich diese gar Untertan zu machen. Verbündete, die über Kenntnisse verfügen, die weit über die unseren hinausgehen. Ich wage sogar zu behaupten, dass hier Magie im Spiel ist.« Er hob die Hände zu einer mutlosen Geste, die keiner der Anwesenden von dem stämmigen Katauren erwartet hätte. »Und was haben wir?«, fragte er vorwurfsvoll. »Wir sitzen hier hinter dicken Mauern und verlassen uns schon seit fünf Wintern allein auf den Mut der Krieger, die Unbezwingbarkeit der Festungsanlage und auf Waffen, die uns seit Generationen gute Dienste leisten. Abgesehen von den großen Pfeilkatapulten, haben wir keine neuen Waffen erdacht und nichts dazu getan, den Krieg für uns zu entscheiden. Wir haben uns stets verteidigt, doch nie angegriffen, und zuletzt sogar tatenlos zugesehen, wie sich die Uzoma zu einer bedrohlichen Übermacht entwickelt haben.« Er wandte sich an den Elben und fügte hinzu: »Euch, Gathorion, habe ich es schon auf dem Weg zur Festung gesagt. Doch ich wiederhole es noch einmal, damit alle es hören: Wenn wir so weitermachen, werden wir den Angriffen der Uzoma früher oder später nicht mehr gewachsen sein. Schon jetzt gibt es kaum noch wehrfähige Krieger im Land. Mut und Entschlossenheit allein reichen nicht mehr aus, um Nymath zu verteidigen. Wenn wir nicht bald eine Möglichkeit finden, den feindlichen Kriegern Einhalt zu gebieten, sind wir verloren.«
Auf Bayards Worte folgte ein langes Schweigen. Wie Gathorion wussten auch die Heermeister, dass der Kataure Recht hatte, doch niemand hegte eine Vorstellung, wie man den Uzoma wirkungsvoll entgegentreten sollte.
»Was können wir tun?«, meldete sich Lazar schließlich zu Wort. »Schon unter Merdith haben wir oft über diese Frage nachgedacht. Zunächst hieß es, die Festung müsse so lange gehalten werden, bis die Nebelsängerin zurückkäme und die Magie der Nebel neu gewoben werde. Doch inzwischen geht es um mehr. Die Nebelsängerin hat uns im
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