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Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin

Titel: Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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empfindliches Gefieder haben und daher niemals mit der Hand gestreichelt werden dürfen.
    Trotz der Zuwendung bewegte sich Horus unruhig auf dem Block hin und her, so als fühlte er Keelins Zorn. »Du hast es gut«, flüsterte dieser, obgleich der Falke ihn nicht verstand. »Unter Falken gibt es weder Neid noch Missgunst. Streitigkeiten tragt ihr sofort aus.« Er seufzte und legte die Feder beiseite. »Schlaf gut, Horus. Und ihr anderen auch«, sagte er leise. Dann machte er kehrt und wandte sich dem kleinen Verschlag zu, in dem frisches Stroh für das Falkenhaus lagerte. Es duftete verlockend und würde ihm in der kühlen Nacht gewiss die nötige Wärme spenden.
    Keelin legte sich nieder und schloss die Augen, doch der Schlaf wollte sich nicht einstellen. Er war überzeugt, dass die verunreinigte Matratze nur der Beginn einer ganzen Reihe von Demütigungen war, die ihm bevorstanden, und dachte darüber nach, wie er dem aus dem Wege gehen konnte.
     
    »Er will wieder einen Spähtrupp über die Berge mitten ins Gebiet der Uzoma schicken?«
    Eine tiefe Stimme drang durch das geöffnete Fenster des Falkenhauses und riss Keelin aus dem ersten Schlummer. Langsam richtete er sich im Stroh auf, sah Fackelschein vor dem Fenster und lauschte. »Ein halbes Dutzend Männer.« Nun sprach ein anderer. Es war Bayard. Obwohl Keelin die beiden Männer, die vor dem Falkenhaus miteinander sprachen, nicht sehen konnte, erkannte er die Stimme des Heermeisters sofort.
    »Gilians heilige Feder. Ist er denn von Sinnen? Nicht ein einziger Krieger der beiden Spähtrupps, die wir jüngst dorthin entsandten, hat die Festung lebend wieder gesehen. Zwei unserer besten Falkner mitsamt ihren Falken fanden den Tod. Ein Verlust, der nur schwer zu ersetzen ist.«
    »Der Elbenprinz hat das keineswegs vergessen«, erwiderte Bayard. »Dennoch ist er entschlossen, einen weiteren Versuch zu wagen. Das Schicksal Nymaths hängt vom Gelingen des Wagnisses ab.« Er verstummte kurz und fuhr dann mit gesenkter Stimme fort: »Ich wünschte, ich könnte dir mehr erzählen, doch ich habe mein Wort gegeben. Meklun, wir kennen uns nun schon ein halbes Menschenleben. Du weißt, dass ich dich nicht darum bitten würde, einen Kundschafter für den Spähtrupp zu benennen, wenn ich nicht selbst davon überzeugt wäre, dass es die Sache wert ist.«
    Meklun! Keelin horchte auf Atemlos verfolgte er das Gespräch zwischen Bayard und Meklun, dem obersten Falkner der Festung, das gewiss nicht für seine Ohren bestimmt war.
    »… wert, einen weiteren Falkner in den Tod zu schicken?«, hörte er Meklun fragen.
    »… den Vereinigten Stämmen neue Hoffnung zu geben«, erwiderte Bayard. »Feanor und Darval vom Blute der Onur und Salih und Cirdan vom Blute der Fath haben sich bereits freiwillig gemeldet. Heermeister Toralf ist auch dabei – und ich natürlich! Uns fehlt nur noch ein Kundschaftet, dessen Falkenauge aufmerksam über den Spähtrupp wacht.«
    »Das sind gute und tapfere Männer«, sagte Meklun beeindruckt.
    »Und?«, fragte Bayard.
    »Bis wann muss ich eine Entscheidung treffen?«
    »Sofort.«
    »Sofort? Aber …«
    Keelin hatte genug gehört. Ohne auf den Lärm zu achten, den er verursachte, sprang er auf und hastete nach draußen. Dass die beiden Männer sich ausgerechnet hier vor dem Falkenhaus getroffen hatten und ein Kundschafter für einen Spähtrupp ausgewählt werden sollte, erschien ihm wie ein Wink des Schicksals. Er war fest entschlossen, diese Gelegenheit für sich zu nutzen. Nach dem, was ihm am Abend widerfahren war, schien es ihm weit weniger belastend, einen Spähtrupp ins Uzomagebiet zu begleiten, als auch nur eine weitere Nacht mit den niederträchtigen Zimmergenossen zu verbringen.
    »Es wäre mir eine Ehre, Euch begleiten zu dürfen.« Ohne auf den überraschten Gesichtsausdruck des Falkners zu achten, trat Keelin im Schein der Fackel auf die beiden Männer zu.
    »Wer, bei Gilians heiliger Feder, bist denn du?«, fuhr der oberste Falkner Keelin erbost an. »Und wo kommst du überhaupt her?« Die Art, wie der Mann ihn musterte, lenkte Keelins Blick auf die eigenen Gewänder, an denen unzählige gelbe Halme hingen, die jede Antwort überflüssig machten. Plötzlich fühlte er sich wie damals, als er im Alter von zehn Wintern heimlich das Schlüpfen der Jungvögel beobachtet hatte und dabei erwischt worden war.
    »Das ist Keelin, ein neuer Falkner«, hörte er Bayard an seiner Statt antworten. Die Stimme des Katauren klang eher belustigt als

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