Das Erbe der Runen 2 - Die Feuerpriesterin
…«
»Wie kannst du es wagen, in meinem Reich eine Waffe zu ziehen!« Ein Fingerzeig von Vhara genügte, um Maylea das Kurzschwert aus der Hand zu reißen. Wie von Geisterhand getragen, wirbelte es durch die Luft und verglühte zischend im flüssigen Feuer des Wehlfangs. Maylea schrie auf und presste das Handgelenk mit schmerzverzerrtem Gesicht an sich. Ihr Blick war vernichtend und voller Hass, doch sie war klug genug, ihre Gefühle zu mäßigen, während Vhara sich wieder Ajana zuwandte. »Du siehst, das Amulett kann dir nichts mehr bieten«, sagte sie. »Aber du kannst dein Leben und das deiner Freunde hier retten, wenn du es mir gibst.« Sie streckte Ajana auffordernd die Hand entgegen.
Ajana zögerte. Der Schock über das, was Vhara ihr soeben offenbart hatte, saß zu tief, um auch nur einen klaren Gedanken fassen zu können.
»Gib es ihr nicht!«, hörte sie Keelin ausrufen. »Wenn sie es erst besitzt, wird sie uns alle töten.«
»Schweig, Bastard!« Unmittelbar neben Keelin schoss jäh eine zischende Flammensäule in die Höhe, der er nur durch ein blitzschnelles Ausweichen entging. »Wie kannst du es wagen, mich eine Lügnerin zu nennen! Es wäre mir ein Leichtes, euch alle auf der Stelle zu töten. Aber ich …«
»La … la … la.« Verblüfft hielt Vhara inne und starrte auf das winzige hellbraune Fellknäuel, das mit kleinen Sprüngen auf sie zulief.
»Ja, was haben wir denn da?«, fragte sie sichtlich entzückt.
»Komm sofort zurück!«, rief Ajana erschrocken aus. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass das Lavinci aus der Schultertasche geklettert war. Noch mehr erstaunte es sie aber, dass das Baumhörnchen nicht wie gewohnt auf ihre Schulter kletterte, sondern direkt auf die Hohepriesterin zueilte. »Komm zurück!«, rief sie noch einmal befehlend, während sie dem Lavinci hinterhersetzte. »Komm zurück!«
Das Baumhörnchen ließ sich nicht beirren. Mit einem weiten Satz überwand es die letzten Schritte und landete sanft auf Vharas ausgestreckter Hand. »Wie niedlich!« Die Hohepriesterin war so außer sich vor Entzücken, dass sie für einen Augenblick das Amulett darüber zu vergessen schien. Lächelnd hob sie das Baumhörnchen auf und schmiegte das weiche Fell sanft an ihre Wange. »Was hast du da für einen putzigen kleinen Freund«, sagte sie zu Ajana, die nur wenige Schritte von ihr entfernt inne gehalten hatte und jede Bewegung von Vhara voller Sorge beobachtete. »Hat er auch einen Namen?«
»La.« Ajana antwortete, ohne zu überlegen, doch kaum hatte sie es gesagt, spürte sie, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Ohne Namen wäre La nur ein Baumhörnchen gewesen, doch die Tatsache, dass es einen Namen trug, zeugte von einer tieferen Bindung.
»La!« Vhara packte das Baumhörnchen am Nackenfell und hielt es so, dass sie es direkt vor Augen hatte. »Welch ein treffender Name.«
»Gebt es mir wieder«, bat Ajana in aufrichtiger Sorge.
»Oh?« Vhara zog in gespieltem Erstaunen eine Augenbraue in die Höhe. »Sollte es möglich sein, dass dir dieses Pelzknäuel hier mehr bedeutet als die jämmerlichen Gestalten dort?« Sie deutete mit dem Finger auf Inahwen, Kruin, Keelin, Maylea und Abbas und vollführte damit gleichzeitig eine kreisende Bewegung in der Luft. Kaum hatte sie diese vollendet, riss rings um die vier herum der Boden auf. Gleißende Flammen schossen in die Höhe und schlossen die Gefährten in einem feurigen Käfig ein.
»Wir machen ein Spiel«, bot Vhara aufgeräumt an. »Ein Freundschaftsspiel. Da du offensichtlich nicht bereit bist, mir das Amulett freiwillig zu übergeben, werde ich deine Freunde einzeln verbrennen, bis du einsichtig wirst.«
»Bleib stark, Ajana«, hörte Ajana Inahwen über das Feuer hinweg rufen. »Sie kann dir das Amulett nicht fortnehmen. Die Runenmagie wirkt nur, wenn es freiwillig hingegeben wird.«
»Freiwillig!«, spottete Vhara, während sie das Lavinci liebevoll kraulte. »Natürlich wirst du es mir freiwillig übergeben, um das Leben deiner Freunde zu retten, nicht wahr?«
»Tu es nicht, Ajana!« Mayleas Stimme gellte durch die Höhle. »Sie wird es nicht wagen …«
»Nicht wagen?« Zorn schwang in Vharas Stimme mit, ein zügelloser, hasserfüllter Zorn. »Ich werde dir beweisen, was ich wage. Ich weiß, was es bedeutet, ein Tier zu verlieren, das einem wie ein Freund ans Herz gewachsen ist. O ja, ich kenne den Schmerz, den der Tod eines Freundes mit sich bringt.« Sie sah Ajana an und fragte lauernd: »Kennst du ihn ebenfalls?« Sie
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