Das Erbe der Runen 2 - Die Feuerpriesterin
hatte:
Verliere das Ziel nicht aus den Augen!
Das Ziel!
Feuer!
Das Licht veränderte seine Farbe zu einem tiefen Rot.
Es wurde größer und schwoll an, öffnete sich wie eine Blume, aus der ein gewaltiges feuriges Abendrot erwuchs.
Ajana glitt durch das Licht dahin und ließ sich von der Magie führen. Eine Schlucht öffnete sich, ein schwarzer, bodenloser Abgrund, auf dessen Boden ein Fluss aus Feuer die Dunkelheit erhellte.
Ein Fluss aus Feuer!
Dieses Bild war das Ziel, und sie hielt es fest, während ihre suchenden Finger die zweite Rune ertasteten.
Algiz …
Ajana keuchte auf, aber sie kannte die Empfindungen, die diese Rune bei ihr auslöste, und ihre Angst schwand.
Sie tauchte hinab in die Schlucht und strebte auf den brennenden Fluss zu. Bald spürte sie den heißen Wind, der von den Fluten aufstieg, sie umtoste und alle störenden Gefühle hinwegfegte, als wären sie unnötiger Ballast, der ihr den Weg zur Vollendung der Magie erschwerte.
Erkenne dich selbst!
Sie nahm den heißen Wind in sich auf und rief sich das Bild eines brennenden Waldes in Erinnerung.
Eine wohlige Wärme hüllte sie ein, beschützend und stärkend. Sie fühlte, wie ihr uraltes Erbe sich entfaltete, und wehrte sich nicht. Als sie wusste, dass sie das Ziel erreichen konnte, machte sie sich bereit.
Mannaz …
Wie von selbst wanderten ihre Finger zur nächsten Rune. Ich bin die Erbin Gaelithils, Trägerin des Runenamuletts, Bewahrerin der Nebel und die Retterin Nymaths.
Tiefe Dunkelheit umschloss sie, als ihr Geist das Reich der Ahnen betrat. Würden jene, die vor ihr waren, ihr Bestreben gutheißen? Würden sie, die das Wissen um die klare, ungetrübte Magie hüteten, ihr den Weg bereiten?
Oder würde ihre Reise hier ein jähes Ende finden?
In der Dunkelheit formte sich ein Gesicht, und sie erkannte das Antlitz Gaelithils, der Schöpferin des Runenamuletts – ihre elbische Ahnin. Gaelithils Lippen bewegten sich. » Toi enni iell – Komm zu mir, Tochter.« Die vertrauten Worte streiften Ajana wie eine Liebkosung, und wie von selbst formte sie in Gedanken die Antwort: » Naneth – Mutter.«
Gaelithil lächelte, und das Antlitz verblasste, doch Ajana wusste, dass sie die Zustimmung der Ahnen erhalten hatte. Sie war nicht mehr allein.
Isaz …
Kaum, dass ihr Finger die Eisrune berührte, wurde Ajana von einer eisigen Kälte ergriffen. Die Wärme, die sie eben noch erfüllt hatte, wich schlagartig und zog sich weit in ihr Inneres zurück.
Ajana schrie vor Schmerz und krümmte sich zusammen. Der eisige Hauch der Rune drohte das verzehrende Feuer in ihr zu löschen, doch Ajana gab nicht auf und kämpfte dagegen an.
Das Bild des brennenden Waldes fest vor Augen, verwendete sie ihre ganze Kraft darauf, den Zauber weiter zu vollenden. Sie musste eine Brücke schaffen, um das Bild aus ihrer Welt zu lösen und nach Nymath zu tragen.
Es war eine Gratwanderung zwischen Feuer und Eis. Das gefährlichste Stück der Reise … Nur zögerlich formte sich vor ihr eine glänzende Bücke aus purem Eis, die die beiden Welten schließlich miteinander verband.
Das Feuer wie einen Schatz hütend, glitt Ajana hinüber und nahm die Stärke des Eises in sich auf, ehe sie ihren Finger zitternd auf die fünfte Rune führte.
Wunjo …
Das Bild des Feuers hatte Isaz unbeschadet überstanden.
Alles war gut, alles war richtig.
Das gewaltige Feuer, dessen sie sich erinnerte, war nun Bestandteil ihrer selbst und fest in Nymath verankert. Es brannte heller als zuvor und schenkte ihr neben der Wärme auch Zuversicht. Sie fühlte sich stark, war eins mit sich und voller Zuversicht und Selbstvertrauen.
In einer Welt aus Feuer und Schatten, in der Wahrheiten und Gefühle keinen Bestand mehr hatten, in der die Vergangenheit so nah und die Gegenwart unendlich fern erschien, formte sie das Feuer zu einem täuschend echten Bild, verband es mit der Hitze des feurigen Stroms und fügte hinzu, was ein Feuer ausmachte.
Fast widerwillig löste sie sich von der Rune, obwohl sie wünschte, sie könne ewig verweilen in nie gekannter Geborgenheit und innerer Harmonie.
Gebo …
Das Bild, das Ajana in sich trug, schwoll weiter an und wurde zu einer gewaltigen Feuersbrunst, die alles in den Schatten stellte, was sie bisher gesehen hatte. Das Feuer war wild, zerstörerisch und alles verschlingend. Ajana spürte die verzehrende Hitze der Flammen und nahm sie in sich auf, während sie spürte, wie die Macht in ihr weiter
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