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Das Erbe der Runen 2 - Die Feuerpriesterin

Titel: Das Erbe der Runen 2 - Die Feuerpriesterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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Die gewaltigen Kiefer schnappten ins Leere, während die Klauen sinnlos den losen Sand aufgruben.
    Indes erreichte Vhara ihr Ziel – ein wild tosendes Meer aus Trieben und Reizen, die nur dem einen Zweck dienten: dem Überleben. Niemals zuvor hatte sie sich einer so starken Wesenheit gegenübergesehen, und für Bruchteile eines Augenblicks kamen ihr Zweifel, ob es ihr tatsächlich gelänge, den Willen der Bestie zu brechen. Ein letztes Mal sammelte sie ihre Kräfte und formte sie zu einem einzigen Wort, das sie tief in das Bewusstsein der Echse pflanzte:
    Gehorche!
    Im selben Augenblick schien die Welt den Atem anzuhalten. Der Sturm aus Empfindungen erstarb, und der Widerstand brach in sich zusammen wie ein Kartenhaus im Wind. Reglos verharrte der Raapir mitten in der Bewegung, während Vhara ihm ihre Befehle erteilte. Von nun an war sie seine Herrin. Niemals würde er sie angreifen, dafür aber jeden töten, der sie bedrohte. Seine wilden Instinkte drängte sie weit zurück und beließ ihm nur jene, die ihrem Zweck dienlich waren. Binnen weniger Herzschläge gelang es ihr, aus der blutdürstigen Bestie ein fügsames Tier zu machen, das ihr bereitwillig dienen würde, bis es starb oder durch sie von den geistigen Fesseln befreit wurde.
    Als sie sich schließlich aus dem Geist der Echse zurückzog, schlug die Erschöpfung wie eine dunkle Woge über ihr zusammen. Ermattet sank sie zu Boden und gönnte sich einen kurzen Augenblick der Ruhe, um neuen Atem zu schöpfen.
    Später vermochte sie nicht zu sagen, wie lange der Augenblick der Schwäche angedauert haben mochte, doch als sie den Rücken der gezähmten Echse erklomm und ihr das Bild der Orma-Hereth als Ziel zuraunte, wusste sie, dass sie Zeit gewonnen und nicht verloren hatte.

 
     

     
     
    Ein düsterer Heerwurm schob sich unter dem grauen, von dicken Schneewolken verhangenen Morgenhimmel aus der eisigen Klamm, die vom Grinlortal in die Ebene hinunterrührte – abgekämpfte Krieger, verbittert über die Niederlage und erfüllt von Trauer um die verlorene Heimat und die Gefallenen, die sie wegen des hart gefrorenen Bodens nicht der Erde hatten übergeben können und stattdessen in einer abgelegenen Höhle nahe dem Heerlager hatten zurücklassen müssen. Sie waren hungrig und zerlumpt, und viele von ihnen litten an Erfrierungen. Ihre Niederlage war vollkommen. Die Uzoma hatten nicht nur die Schlacht verloren, sondern auch den Glauben und jegliche Hoffnung.
    Die Verletzten litten unter dem unwegsamen Gelände. Auf Speere und Stöcke gestützt, stolperten sie dahin. Andere mussten getragen werden, und nur einer von zehn schritt noch kraftvoll aus.
    Kruin, der an der Spitze des Heeres ritt, wandte sich im Sattel um und blickte voller Bitternis auf das, was wenige Sonnenaufgänge zuvor noch ein stolzes Heer gewesen war. Von dem einstigen Stolz und dem unerschütterlichen Siegeswillen der Krieger war nichts mehr geblieben. Der überraschende Wintereinbruch setzte ihnen zu wie einem verwundeten Tier, und es schien nur eine Frage der Zeit, bis die Ersten den Strapazen des Marsches oder ihren Verletzungen erliegen würden.
    Kruin seufzte und schüttelte den Kopf. Wie konnte auch nur ein Stammesfürst ernsthaft daran denken, mit diesem trostlosen Haufen einen erneuten Angriff zu wagen?
    Sein Blick schweifte zu Jumah hinüber. Der älteste Stammesfürst ritt schweigend an seiner Seite. Das Gesicht im Schatten des quastenbesetzten Kamantan war von tiefen Falten gezeichnet und so unergründlich, als trüge er eine Maske. Sorgsam hielt er seine Gedanken vor den anderen verborgen, doch Kruin wusste, dass den alten Uzoma die unerwartete Begegnung mit seiner Tochter schwer getroffen hatte.
    Noch einmal wanderten Kruins Gedanken zurück zu den Ereignissen der vergangenen Nacht, die der Grund dafür waren, dass das Lager abgebrochen worden war.
    Nach dem Tod des Whyono wäre es Jumahs Aufgabe gewesen, den Rückzug des Heeres als ältester Stammesfürst anzuführen, doch er hatte abgelehnt und diese Pflicht Kruin übertragen, einem Mann, der wahrlich kein geborener Anführer war. Als Jüngster von vier Brüdern wäre er in friedlichen Zeiten niemals zum Stammesfürsten erwählt worden, doch das Schicksal wollte es, dass all jene ihr Leben am Pass verloren, die kraft ihrer Geburtsfolge vor ihm standen.
    Obwohl Kruin die Würde des Stammesfürsten erst seit wenigen Silbermonden innehatte, hatte es keiner der Anwesenden gewagt, Einwände gegen Jumahs Vorschlag zu erheben – was

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