Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)
sich, seine Schenkel an ihren Schenkeln, seine Brust an ihren Brüsten, seine Hände auf ihrem Rücken, wo sie unter den dünnen Pullover glitten und ihre Schulterblätter liebkosten. Er zog sie an sich, als wolle er sie in sich aufnehmen …
Irgendwo schlug ein Fensterladen. Sie fuhren auseinander. Cari zitterte und war atemlos. Hatte sie so etwas je mit Dan empfunden? Hatte sie jemals dieses Begehren gespürt, den drängenden Wunsch, ihn nackt in den Armen zu halten, ihn zu berühren, zu küssen, ihn in sich zu spüren, sich von diesem flüssigen Feuer verzehren zu lassen? Nein. Dies war italienische Leidenschaft.
Marco wirkte noch aufgewühlter als sie, so das überhaupt möglich war. »Ich muss gehen«, sagte er knapp.
Die Enttäuschung versetzte Cari einen Stich. Was war mit ihr los? Wollte sie mit ihm schlafen? Jetzt? Sie war sich nicht sicher. Sie sollte es nicht tun – es schien falsch zu sein, solange sie und Dan noch ein Paar waren. Und dennoch … Sie sehnte sich mit jeder Faser ihres Körpers danach. Und sie wollte ihn nicht gehen lassen.
»Wo übernachtest du?« Sie fragte sich, was morgen sein würde. Würde es auch noch ein Morgen geben, wenn sie sich getroffen hatten, und danach noch mehr gemeinsame Tage?
Er zuckte die Achseln, hatte sich bereits wieder in der Gewalt. Er ging auf Distanz zu ihr, locker und lässig, als habe es den Kuss nicht gegeben oder als habe sie falsche Schlüsse gezogen. »Ich habe Freunde hier«, erwiderte er.
Wartete er darauf, dass sie den ersten Schritt tat? »Marco …« Sie konnte den Mut für sie beide aufbringen. Es gab genug Kälte zwischen den Menschen.
»Nein.« Er legte ihr den Finger auf den Mund. »Ich habe wirklich Freunde hier.«
»Es ist immer noch zu früh für uns«, flüsterte Cari. »Meinst du das?«
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis er zu einer Antwort ansetzte. »Ich wünschte …«, begann er. »Ich wünschte …«
Was wünschte er?
Aber er hatte sich bereits abgewandt und ging davon, ohne sich noch einmal nach ihr umzudrehen. Italiener tun das nicht, erinnerte sich Cari.
»Bis morgen«, rief er dann und hob die Hand zum Abschied. »So gegen zehn.«
Was elf Uhr bedeutete. Sie lächelte. Also würde es wenigstens ein Morgen geben. »Okay.« Sie sah ihm nach. » D’accordo , Marco.«
Gleich nachdem sie die autostrada verlassen hatten, gelangten sie in ein Dorf, in dem sich eine riesige Menschenmenge mit Fahnen versammelt hatte. Blau-weiße Flaggen hingen auch aus den Fenstern, und die Straße war übersät mit Blütenblättern.
Marco schnalzte mit der Zunge. »Hier findet eine festa statt«, sagte er. »Wir müssen einen Umweg fahren.«
Cari reckte sich, um einen Blick auf das Volksfest zu erhaschen, und klatschte in die Hände. Eine Blaskapelle marschierte durch die Hauptstraße.
Ihre kindliche Begeisterung entlockte ihm ein Lachen. »Ein Fest mit Tanz«, meinte er und grinste. »Allerdings ohne Spielzeugtiere.«
Demnach erinnerte er sich also an Brighton …
»Wo fahren wir hin?«, fragte Cari, als sie links abbogen und das farbenfrohe Dörfchen hinter sich ließen. Sie hatte sich sorgfältiger als sonst zurechtgemacht und trug eine himbeerrote Leinenhose mit geschlitztem Saum in asiatischem Stil und ein besticktes Oberteil, das zugleich bequem und elegant war. Zu jeder Schandtat bereit, hatte sie sich geneckt, als sie sich bei einem letzten, wohlwollenden Blick in den Spiegel noch einmal kurz durch das Haar gefahren war. Sie hatte nur ein leichtes Make-up aufgelegt – falls es wieder so heiß werden sollte wie gestern, würde alles zerfließen – und steckte ein paar Utensilien in ihren Waschbeutel, die sie für eine Übernachtung brauchte. Man konnte ja nie wissen … Bereit sein ist alles.
»An die Küste«, sagte er. »Ich möchte dir einen bestimmten Ort zeigen.«
Aha. »Deine Heimatstadt?« Cari rutschte auf dem Sitz hin und her. Das war sicher ein Beweis für seine Gefühle. Obwohl sie in dieser Phase noch nicht bereit war, über ihre Gefühle für ihn nachzudenken.
»Nein.« Seine Stimme veränderte sich, sein Gesichtsausdruck wurde düster.
Warum tat er nur so geheimnisvoll? Was – oder wen – hatte er zu verbergen?
»In so einem kleinen Dorf gibt es nichts zu sehen.« Er machte eine anmutige wegwerfende Bewegung mit der Hand. »Ich habe beschlossen, dir stattdessen einen Ort zu zeigen, an dem ich gern bin. Einen Ort, der mir sehr wichtig ist.«
Es klang, als sei es eine schwierige Entscheidung gewesen, und das
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