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Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)

Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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faszinierte sie. »Dann nichts wie hin!« Wenn Marco den Geheimnisvollen spielen wollte, bitte schön. Zumindest im Moment.
    An diesem Morgen glich der Golf von Genua einem glatten blauen Laken. Nichts deutete mehr auf die heftige Strömung hin, die Aurelia gestern beinahe ins offene Meer hinausgezogen hätte. Um Haaresbreite. Aurelia dachte darüber nach, während sie auf ihrer Palette große Farbkleckse mit Leinöl verrührte. Sie drückte mehr von der Farbpaste aus der Tube. Wieder einmal arbeitete sie mit Ölfarben – diesmal würde sie das Meer malen. Sie wollte diese friedliche Stimmung einfangen und doch die darunter lauernde Strömung andeuten – kaum wahrnehmbar, aber gefährlich. Der Feind im Innern …
    Gestern hatte sie jeden Gedanken an den Badeausflug beiseitegeschoben, der plötzlich zu etwas Furchteinflößendem geworden war. Ebenso die Erinnerungen, die in ihr aufgestiegen waren und ihr seltsamerweise genauso viel Angst eingejagt hatten. Es war ihr gelungen, so zu tun, als sei alles in bester Ordnung, Elenas Einladung zu folgen und sich am Tischgespräch zu beteiligen … Wie immer war es ein angenehmer Abend gewesen. Sie genoss die freundschaftliche, entspannte Atmosphäre zwischen ihnen. Obwohl sie sich von Zeit zu Zeit unwohl fühlte und nach Zeichen früherer Intimität zwischen Enrico und Elena forschte, wies sie sich selbst scharf zurecht. Mein Gott, du bist fünfundsiebzig! Also wirklich, du solltest nicht so töricht sein!
    Beim Essen hatten sie unter der Pergola gesessen. Zwar hatte Elena darauf bestanden, dass es sich lediglich um einen »Happen« handelte, doch dieser hatte aus mehreren Gängen bestanden: Es gab mit Petersilie und Knoblauch gefüllte Artischockenherzen, eine köstliche Bohnensuppe mit Fadennudeln und knusprigem Brot, Rippchen in pikanter Soße und zu guter Letzt Pecorino und frisch geerntete grüne Birnen. Ein »Happen«. Soso.
    Elena war wie immer zwischen der Küche und dem Esstisch hin- und hergeschwirrt, der an diesem Abend mit einem bestickten weißen Spitzentuch gedeckt war, das, wie sie Aurelia erklärte, bereits seit Generationen in der Familie weitervererbt wurde. Aurelias Angebot, ihr zu helfen, tat sie mit einer Handbewegung ab. Elenas einziges Gesprächsthema war die Hochzeit gewesen, bis Enrico und Stefano ihr mit den Worten Einhalt geboten hatten, genug sei genug. Daraufhin hatte Elena alle auf den neuesten Stand gebracht, was die Familienangelegenheiten und den Dorfklatsch betraf. Schließlich fragte Stefano seinen Vater nach dem Einbruch in La Sirena .
    Aurelia setzte sich kerzengerade hin und war ganz Ohr.
    »Hast du irgendjemanden gesehen?«, erkundigte er sich. »Hast du eine Ahnung, wer es gewesen sein könnte? Weißt du, wonach sie gesucht haben?«
    Da war etwas in Stefanos Blick … Aurelia beobachtete ihn genau, während er Enrico ins Kreuzverhör nahm. Und später, als Enrico im Badezimmer war und Elena in der Küche Kaffee zubereitete, beugte sie sich vor und sagte: »Du weißt es, nicht wahr?«
    »Was soll ich wissen?« Stefano zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch zu den Weintrauben hinauf, die an der Pergola reiften. Es war bereits dunkel, aber die Luft immer noch mild, sodass sie hier bei Kerzenlicht unter den Sternen saßen.
    »Du weißt, wonach sie gesucht haben.«
    Er runzelte die Stirn. »Vielleicht.«
    Aurelia war klar, dass es keinen Zweck hatte, weiter zu bohren. Stefano war schon immer ein Geheimniskrämer gewesen. »Weißt du vielleicht auch, wer eingebrochen hat?«
    Nachdenklich sah er sie an. »Schon möglich.«
    Also wirklich … Aurelia schüttelte ungläubig den Kopf. Wie konnte er es wissen? »Dann musst du es deinem Vater sagen.« Was würde Enrico davon halten? Dass sein Sohn mehr über den Einbruch wusste als die Polizei, als er selbst?
    »Noch nicht.« Erneut runzelte Stefano die Stirn. »Ich muss erst ganz sicher sein, das verstehst du doch bestimmt.«
    Nein, eigentlich nicht. Aurelia aß das letzte Stückchen Käse von ihrem Teller. »Was sollen wir also deiner Meinung nach tun?«, drängte sie.
    Stefano schnippte die Asche von seiner Zigarette auf Elenas Steinfliesen, die noch warm vom Tage waren. »Ich habe mich noch nicht entschieden.« Dann legte er beschwörend den Finger auf die Lippen.
    Enrico kam aus dem Badezimmer. Sie hörte, wie er mit Elena sprach und fragte, ob er etwas mit hinausnehmen solle. »Ich brauche keine Hilfe«, war die Antwort, »setz dich hin und ruh dich aus!«
    Aurelia nickte. Gut,

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