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Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)

Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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Beweggründe nachvollziehen können, sie hatte etwas über Hester, Richard und Tasmin als junges Mädchen, über Mary und Hugh erfahren, ihre Familie, von der sie schon immer hatte hören wollen. Und ganz allmählich breitete sich in ihr ein – wenn auch noch zartes – Gefühl der Sicherheit aus, das nie gekannte Empfinden, dass auch sie eine Vergangenheit besaß.
    »Ist es etwas Ernstes?« Cari versuchte sich zu konzentrieren, obwohl die italienischen Wortsalven, die Nachmittagssonne und Elenas Mittagessen sie schläfrig machten. Die Siesta – was für eine Errungenschaft der Zivilisation! Italien erschien ihr zunehmend perfekter, sodass sie sich genötigt fühlte, sich gegen das zu wappnen, was danach auf sie zukommen würde.
    »Nun …«
    »Er hat sie doch nicht etwa sitzenlassen?« Was für eine schreckliche Vorstellung! Bei diesen Worten musste Cari unweigerlich an Dan denken. Sie sollte ihn endlich anrufen. Heute Abend. Aus den Augen, aus dem Sinn – das mochte zwar für sie gelten, aber was war, wenn Dan nicht so empfand? Was, wenn er sich daheim in England um sie sorgte und glaubte, zwischen ihnen sei alles in bester Ordnung? Sie hatte Marco in dieser Woche nicht oft gesehen – es war schwierig, da er sich weigerte, La Sirena zu betreten –, aber wie die Sache mit Marco auch ausgehen würde, es änderte nichts an ihren Gefühlen für Dan. Es war Zeit für einen Schlussstrich. Dan war ihr Fels in der Brandung gewesen. Eine Ersatzfamilie, er hatte Sicherheit bedeutet. Marco dagegen … Wieder schlich er sich in ihre Gedanken.
    Vorgestern hatte er sie in die wilde und zerklüftete Landschaft der Cinque Terre entführt. Während sie Riomaggiore, das erste Dorf, auf dem Küstenpfad umrundeten, erzählte er ihr etwas über die Geschichte dieser Gegend. Er deutete auf den steil aufragenden terrassierten Hügel, der zum Meer hin abfiel, eine Landschaft, die der Mensch geschaffen hatte, wie er es ausdrückte. Eine siebentausend Kilometer lange Trockenmauer diente als Stütze.
    Cari bewunderte das gewaltige Ausmaß an Arbeit, das die Menschen hatten auf sich nehmen müssen. Diese Landschaft war um des Überlebens willen von Hand geschaffen und bearbeitet worden. Terrassierte Weingärten wechselten sich mit Olivenhainen ab, unterhalb des Küstenpfades jedoch hatte die mediterrane Macchia wieder die Oberhand gewonnen, stark duftender Ginster, rosafarbene Zistrosen, Kakteen und Wolfsmilchgewächse. Das hoch oben auf dem nackten Felsen thronende Dörfchen Riomaggiore wirkte von hier aus wie ein Mosaik aus leuchtend bunten Häusern, Boutiquen, Geschäften und Galerien, die sich um schmale Straßen und kleine Piazzen gruppierten.
    »Wir sind hier auf der Via d’Amore«, erläuterte Marco, »dem Pfad der Liebenden, dem berühmten Verbindungsweg zwischen Riomaggiore und Manarola, dem zweiten der fünf Dörfer.«
    Der Pfad der Liebenden. Der Weg war in den Fels geschlagen, und unter ihnen lag der kobaltblaue Golf von Genua. Der Seewind zerzauste Caris Haar und strich sanft über ihre Wangen. Würden sie jemals Liebende sein? Sie war sich nicht mehr so sicher. Marco hielt nicht einmal ihre Hand.
    Nach einer Weile rasteten sie auf einer der Steinbänke mit Meeresblick. Er erzählte ihr von seiner Familie, von seiner Großmutter, deren Kräfte nachließen, deren Verstand jedoch scharf und wach war, und von deren Vater – abenteuerliche Geschichten, die mit Schmuggelei zu tun hatten.
    Der weiche Klang seiner Worte, die verführerische Mischung aus Englisch und Italienisch und seine tiefe Stimme sprachen Caris Sinne an. Er gab ihr Einblick in sein Leben. Und nicht nur das. Ihr war, als webe er seine Geschichte um sie wie feine Gaze, doch so stark und fest wie ein Spinnennetz. Er wickelte sie darin ein, bis sie trunken war von der Hitze der Sonne, dem Duft des Ginsters und des Jasmins, dem tiefblauen Meer – und seiner Stimme.
    Sie erfuhr mehr über ihn. Aber wer war er?
    »Bist du bereit für den Tunnel der Liebe?«, scherzte er, als sei es ein selbstverständlicher Teil dieses Ausflugs.
    Cari stand auf und lehnte sich Halt suchend an den grauen Felsblock. Marco sollte nicht merken, wie es um sie stand.
    Sie betraten den Tunnelabschnitt der Via d’Amore.
    Ihr war sehr bald klar, woher der Weg seinen Namen hatte. Die Mauern waren mit ausdrucksstarken Wandgemälden geschmückt, die allesamt mit Graffiti bedeckt waren. Aber nicht den üblichen Graffiti. Tausende von Namen, tausende von Botschaften. Und alle drehten sich um

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