Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)
… Hier liegt Daniel …
»Ich wollte eigentlich gar nicht hinhören, aber ich habe noch gut in Erinnerung, was du an dem Abend gesagt hast.«
Na ja, immerhin … Die Anspannung ließ allmählich nach. Ihre Hände hielten das seitlich am Bett angebrachte graue Metallgitter umschlossen. Die Knöchel waren weiß. »Und was hast du danach getan?« Fragend zog sie die Augenbrauen hoch.
Er zuckte die Achseln. »Ich bin ein bisschen durchgedreht. Hatte eigentlich nicht vor, eine Straßenlaterne umzufahren.« Er lachte und warf ihr seinen reumütigen Kleine-Jungen-Blick zu.
Cari fragte sich jedoch, weshalb er all das ohne zu meutern hinnahm. Sie empfand so etwas wie Mitleid. Es war bestimmt nicht leicht für ihn. Hier lag dieser arme Kerl nun, erholte sich von seinem Unfall, und dann tauchte plötzlich seine Ex auf, um ihn unter Druck zu setzen. »Dan, es tut mir wirklich leid.« Was hätte sie sonst sagen können? Wie hätte sie es anders ausdrücken sollen? Es gab nichts mehr hinzuzufügen.
»Aber jetzt bist du hier! Und das allein zählt!«, sagte er und griff nach ihrer Hand.
Sie fuhr bei der Berührung zusammen. Es war furchtbar. Seine Haut fühlte sich gereizt und viel zu heiß an. Trockene Hitze.
»Du bist von Italien hergeflogen, um bei mir zu sein. Das bedeutet doch was, oder?«
»Nein.« Seine Enttäuschung war unübersehbar. »Ja.« Meine Güte, war das schwierig. »Nein.« Sie zog die Hand zurück. Hatte sie nicht Abstand wahren wollen?
»Dan, ich bin hergekommen, weil ich ein schlechtes Gewissen hatte, weil es dir nicht gutgeht und ich dir eine Erklärung schulde, Himmel noch mal!« Wenn sie ihm schon nichts geben konnte, wollte sie doch wenigstens ehrlich sein. Schließlich waren sie neun Jahre lang ein Paar gewesen. Zu lange, um mir nichts, dir nichts auseinanderzugehen.
»Du bist also nicht hier, weil du mich liebst?«
Sie seufzte. Natürlich hätte sie ihn mit dem üblichen Satz »Lass uns Freunde bleiben!« abfertigen können. Aber das wäre nichts als Augenwischerei. Und das wusste er ebenso wie sie. Sie würde Dan weiterhin als Freund schätzen – falls er es ihr zugestand. Doch das war zwischen ehemaligen Lovern nun mal nicht immer möglich. Meistens war es viel besser, alles Gewesene einfach hinter sich zu lassen.
»Und vermutlich …« Er kniff die Augen zusammen.
Wie blass er war, und wie unappetitlich er aussah! Krank und erschöpft. Außerdem roch er nach Chemie – nach Äther und Chlor. Unruhig rutschte Cari auf dem Stuhl hin und her. »Ja?«
»Vermutlich kann dir der neue Mann in deinem Leben unendlich mehr bieten als ich, stimmt’s?«
»Wie bitte?« Sie starrte ihn an.
»Vertrauen, Loyalität …« Mit gefalteten Händen lehnte er sich in die Kissen und betrachtete eingehend die weiß getünchte Zimmerdecke. »All die Dinge, die du so schätzt.«
Sie rang nach Luft. Weshalb riss eigentlich an solchen Orten wie diesen niemand die Fenster auf? Caris Wangen glühten, ihre Kehle war total ausgetrocknet. Sie hatte den Eindruck, als würde ihr die Welt außerhalb dieses Gefängnisses zuwinken. Sie wollte fort von hier. »Welcher neue Mann?« Und warum diese düstere Vorahnung? Was spielte es für eine Rolle, ob er Bescheid wusste?
»Marco Scheißkerl Timpone.«
Woher kennt Dan seinen Namen?, war ihr erster Gedanke. Ich selbst habe ihn doch erst vor kurzem in Erfahrung gebracht. Wie viel weiß er tatsächlich?
»Das hat nichts mit Marco zu tun«, erklärte sie. Dan sogar seinen Namen zu nennen, bereitete ihr Genugtuung … Wie boshaft war das? Sie musterte ihn aufmerksam. Es kam beinahe einem Katz-und-Maus-Spiel gleich.
»Aber du hast dich mit ihm getroffen, stimmt’s?«
»Ja.« Das zu bestreiten, erschien ihr sinnlos.
»Dann solltest du eines wissen.«
Ihr missfiel die Art, wie er mit ihr sprach. »Und das wäre?« Sie verrückte den Stuhl. »Und woher weißt du, dass er mit Nachnamen ›Timpone‹ heißt?«
Er klopfte sich mit dem Zeigefinger an die Nase.
Angewidert wandte sich Cari ab. Was für lächerliche Spielchen. Weshalb eigentlich aufrichtig sein? Warum hatte sie überhaupt die Mühe auf sich genommen, hierher zu reisen? Sie schuldete Dan nichts. Sie waren einige Jahre miteinander glücklich gewesen, ein paar weitere Jahre zufrieden und hatten sich die letzten sechs Monate ziemlich gequält. Zumindest hatte sie sich erbärmlich gefühlt. Sie waren ein Paar gewesen. Aber irgendwann hatte ihre Beziehung geendet. So etwas passierte nun mal. Weder ihn noch sie traf
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