Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)

Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
Vom Netzwerk:
Menschen verloren zu Lebzeiten ihre Mutter. Wieso war es bloß so schwer? Warum erschien einem das Leben ohne diesen Menschen derart hoffnungslos?
    Edward nickte. »Möchtest du wirklich keinen …«
    Er musste sich mit etwas beschäftigen. »Na gut«, antwortete sie. Das erste Mal war immer am schlimmsten. »Mit Eis und einem Spalt Limette.«
    »Gern«, sagte er lächelnd und nahm rasch ein hohes Glas aus dem Hängeschrank. Als sie den Eiswürfel auf den dicken Boden des Glases fallen hörte, wandte sie sich ab. Erst als es zischte, drehte sie sich wieder um und lächelte routiniert.
    »Nun, was hast du entdeckt?«
    Beide sahen dem Paar nach, als es die Galerie verließ und sich dabei leise über die Vorzüge des Bildes unterhielt. Ob sie die beiden einander umarmenden Frauen tatsächlich gesehen hatten?
    »Hmm?« Cari beugte sich hinunter und zog die Tasche zu sich heran. Sollte sie es ihm zeigen? Sie war versucht, ihre Meinung noch zu ändern. Hätte Tasmin ihm die Fotos zeigen wollen, hätte sie es doch sicherlich getan, oder? Er war doch genau der Richtige dafür. Mit welchem Recht brachte Cari sie jetzt hierher? Sie zögerte. Tasmin war schließlich sehr auf ihre Privatsphäre bedacht gewesen, aber was hatte sie davon gehabt? Mussten sie sich etwa jetzt, nachdem sie tot war, immer noch ihren Forderungen gemäß verhalten? Aber … Die Bilder waren gut.
    »Ich wollte dir etwas zeigen«, sagte sie. Es waren wirklich ganz besondere Fotos.
    Sie waren sowohl enthüllend als auch bewegend. Man durfte sie niemandem vorenthalten.
    Es war Aurelias Geburtstag. Aurelia und Enrico saßen in der Oper. Auf der Bühne entfaltete Puccinis »Madame Butterfly« ihre düstere, unvergleichliche Tragödie. Betrug an der Unschuld. Eine verhöhnte Frau …
    Aurelia blickte aus dem Augenwinkel auf Enrico. Vielleicht war sie voreingenommen, aber obwohl er über siebzig war, konnte man ihn nach wie vor einen gut aussehenden Mann nennen. Die vom Wetter gegerbte Haut mit dieser typisch italienischen, leicht olivenfarbenen Tönung. Die Falten um Mund und Augen deuteten auf ein ausgefülltes Leben hin, während die selbst im Sitzen leicht gebeugten Schultern von vergangenem Schmerz und Verwundbarkeit zeugten. Das drahtig wirkende Haar war weißgrau meliert, was ihn aber nicht zu stören schien. Er trug es mit Würde. Ein gepflegter, eleganter Mann. Sie konnte sich wirklich glücklich schätzen. Wie war es einer zarten blonden Engländerin gelungen, deren einzige Leidenschaft ihrer Palette und der Malerei galt und die sich nicht im Geringsten für ein Abenteuer interessierte, einen Mann wie diesen für sich zu gewinnen und in einer bezaubernden Villa wie La Sirena , in einem der schönsten Landstriche dieser Welt zu leben? Sollte sie nicht etwas mehr Dankbarkeit empfinden?
    Auf der Bühne baute sich ein Crescendo auf, die Sopranstimme setzte ein, schwang sich wie ein Vogel in die Höhe, unterstützt von der gefühlvoll vibrierenden Tenorstimme. Die Kehle wie zugeschnürt, lebte Aurelia ganz in der Musik mit. Eine Oper bedeutete den emotionalen Overkill. Es gab Arien, bei denen ihr Herz einfach davongetragen wurde.
    Schon immer hatte Aurelia Opern geliebt. Anfangs hatte ihr dabei am besten gefallen, dass sie den Text nicht verstand. Alles trug sie fort – die Musik, die Stimmen, die Empfindungen, die herrlichen Kostüme (hier war die Butterfly ohnehin überwältigend) sowie die schiere Melodramatik der Handlung.
    Als sie das Italienische allmählich besser sprach und verstand, trübte dies den Opernbesuch mehr, als dass es ein Gewinn gewesen wäre. Sie wollte gar nicht wissen, was der Tenor einem einsamen Stern am Himmel entgegensang, dass das ganze Stück in Gefühlen unterging und vor Wehmut triefte. Sie wollte tiefer forschen, dem ursprünglichen Drama näherkommen. Komödie und Tragödie. Schwarz und Weiß. Liebe und Tod. Überleben und Selbstmord. Hmm.
    Aurelia lehnte sich entspannt zurück in den Sessel und schloss – kurz – die Augen. Sämtliche Theaterhäuser auf der Welt rochen gleich. Eine flüchtige Mischung schwerer, staubiger Materialien, Spinnweben und Fettschminke; Haarspray, rohes Holz, Körpergerüche und Parfum. Eine berauschende Kombination, die sie an Richard und Brighton erinnerte, sogar als sich ein Teil ihres Selbst ein wenig mit der Geisha Butterfly identifizierte, die sich wegen eines Mannes von ihrer Religion und ihrer Familie losgesagt hatte. War das ein Wunder? Bei ihrem allerersten Theaterbesuch hatte sie

Weitere Kostenlose Bücher