Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)
Journalistin?«
»Eine Verlegerin.« Edward füllte ihr Glas neu.
»Für eine Verlegerin erscheint sie mir aber ziemlich jung.«
»Das sind sie alle«, bemerkte Edward grimmig. »Wie dem auch sei, sie meint, wir sollten ein Buch machen.«
»Ein Buch?« Cari hatte allmählich das Gefühl, dass das Ganze etwas außer Kontrolle geriet. Was würde Tasmin dazu sagen? Das würde ihr doch bestimmt gegen den Strich gehen, oder? Cari war sich nicht sicher. Sie hatte gedacht, die Lektüre des Tagebuchs würde Rückschlüsse auf das Leben ihrer Mutter zulassen. Stattdessen hatte sich etwas völlig anderes offenbart. Manchmal beschlich sie der Verdacht, dass sie über den Menschen Tasmin nun noch weniger wusste als vorher.
»Denk darüber nach, Cari!«
Edward verschwand in der Menge. Einen Augenblick lang hatte Cari einen freien Blick auf den Eingang, und da … Meine Güte! Das war sie wieder! Die ältere Frau, die so zögernd in der Tür stand und ein wenig verloren wirkte, war ihr doch schon auf Tasmins Beerdigung aufgefallen. Damals hatte sie so ausgesehen, als wolle sie etwas loswerden.
Entschlossen steuerte Cari auf die Besucherin zu. Dieses Mal würde sie herausfinden, wer sie war und was sie wusste. Was sie ihr zu erzählen hatte. Entschuldigungen murmelnd kämpfte sie sich durch die Menge. Wer immer diese Frau war – heute würde sie Cari nicht entwischen.
»Wie war eigentlich Enricos Frau Catarina?«
Natürlich war Aurelia bei Maria nicht sofort mit dieser Frage herausgeplatzt. Sie wollte im Dorfladen Gemüse für ihre Version eines toskanischen Eintopfs kaufen und hatte sich, da sie zunächst Oliven erstanden hatte, bereits ausführlich mit Maria über die Olivenernte unterhalten (wann die Netze aufgespannt werden sollten, warum die ligurischen Oliven weniger bitter schmeckten als die norditalienischen und wie man Olivenöl am besten lagerte, um sein Aroma bis zum nächsten Jahr zu erhalten). So kaufte man in einem italienischen Dorf ein. Erst danach fühlte sich Aurelia berechtigt, ein persönliches Thema anzuschneiden.
Marias nussbraunes Gesicht verzog sich zu einem Lächeln. Sie schien keineswegs überrascht zu sein, nach einer Frau gefragt zu werden, die schon vor langer Zeit gestorben war. Aber Aurelia hatte sowieso den Eindruck, dass die Vergangenheit in diesem Dorf immer noch präsent war und es sich noch nicht vollständig von den vergegangenen Jahrhunderten verabschiedet hatte.
»Ah, bella «, antwortete Maria. »Eine wunderschöne Frau. Es war so traurig.« Sie seufzte tief und fuhr fort, rote Paprikaschoten zu sortieren. Thema beendet.
Aurelia wusste, dass Maria gern ein Schwätzchen hielt. Manchmal stand Aurelia eine halbe Stunde lang wartend in dem abgedunkelten Verkaufsraum, während Maria mit einem Kunden die Vorzüge bestimmter Obst- und Gemüsesorten erörterte, um gleich im Anschluss daran eine intensive Diskussion über die Methoden des Konservierens und Kochens zu führen, ehe die genannten Waren den Besitzer wechselten. Sicher war es nur eine Frage des richtigen Anstoßes, um sie zum Reden zu bringen.
»Aber sie und Enrico waren doch glücklich«, sagte Aurelia, bemüht, so unverfänglich zu klingen, als wäre es eine Feststellung und keine Frage.
»Mmpf …« Ein Wasserfall aus Paprikaschoten ergoss sich in eine Kiste.
Die erste Ernte, dunkelrot und saftig, verströmte einen warmen, süßlichen Geruch – ein Riesenunterschied zu den anämischen, in Plastik eingeschweißten Paprikaschoten in den englischen Supermärkten. Aber dies hier war, als wolle man einen Stein zum Reden bringen. Hatten die Dorfbewohner von Luigis giftigen Bemerkungen gehört? Hatte es sich schon wie ein Lauffeuer verbreitet? Wusste Maria davon? Vielleicht hatte sie bereits damit gerechnet, dass Aurelia kommen und Fragen stellen würde. Von Rosa hatte Aurelia nichts in Erfahrung gebracht, denn Rosa war Enrico gegenüber durch und durch loyal. Möglicherweise hatte ja das ganze Dorf ein Schweigegelübde abgelegt.
»Oder meinen Sie nicht?«, setzte Aurelia unschuldig hinzu.
Maria warf ihr einen düsteren Blick zu. »Am Anfang schon«, antwortete sie. »Aber später …« Sie zuckte die Achseln, um anzudeuten, dass noch mehr dahintersteckte. Sagen würde sie es jedoch keineswegs.
Aurelia legte zwei Paprikaschoten in ihren Korb. Sie beschloss, es mit einem vertraulichen Gespräch unter Frauen zu versuchen. Dieses Unterfangen wurde zu einer richtigen Herausforderung. »Die Zeit nach der Geburt eines Kindes ist
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