Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)
nicht einfach«, sagte sie und nickte wissend. »Dadurch verändert sich das Verhältnis zwischen Mann und Frau.« O Gott, vergib mir!, dachte sie. Was tue ich da? Diese Art, sich Informationen zu verschaffen, ist hinterhältig; ich bin illoyal und hintergehe Enrico. Aber wenn er es mir doch partout nicht erzählen will …? Verdammt wollte sie sein, wenn sie noch einmal mit dieser Unsicherheit, diesem Unwissen leben würde – vor allem in ihrem Alter. Mit fünfundsiebzig sollte man über so etwas hinaus sein.
»Ah, sì, sì .« Maria nickte heftig. Mit einer schwungvollen Bewegung leerte sie einen Korb Auberginen aus, als wären allein diese für die Wechselfälle des Lebens verantwortlich. »Männer! Pah! Sie verstehen nichts. Wie sollten sie auch? Immer brauchen sie Aufmerksamkeit, immer müssen sie die Nummer eins sein, nicht wahr?«
Aurelia dachte an Richard. Oh, ja, das kam ihr bekannt vor. Aber sie hätte nicht erwartet, dass Enrico genauso sein würde. »War Enrico auch so?«, fragte sie, als wüsste sie nichts über die Vergangenheit ihres Lebensgefährten.
Maria warf ihr wieder diesen Blick zu. Einen Blick, der besagte, du bist vielleicht nicht verheiratet – meinst du etwa, das wüssten wir nicht? –, aber im Endeffekt ist er dein marito , und wenn du nicht weißt, wie er wirklich ist, woher sollte ich es dann wissen? Ja, dieser Blick sagte alles.
Aurelia versuchte es mit einem lässigen Schulterzucken, der wichtigsten Vokabel, die sie seit ihrer Ankunft in Italien gelernt hatte. Sie konnte alles bedeuten.
Und Maria reagierte prompt. »Er war ein vielbeschäftigter Mann«, fuhr sie fort. »Vielleicht hatte er keine Zeit für Signora Catarina.« Sie begann die Auberginen zu sortieren, die so dunkelviolett waren, dass sie fast schwarz wirkten. Man glaubte beinahe, sich in ihrer glänzenden Oberfläche spiegeln zu können. »Vielleicht hat er nicht gemerkt, wie unglücklich sie war. Wer weiß?«
Ja, ja. Natürlich wusste Aurelia, dass Dinge, die zwischen einem Mann und einer Frau vorfallen, nur die beiden etwas angehen. »Hat Catarina das so gesagt?«, drängte sie Maria. »Hat sie es so empfunden?«
Sie spürte, wie Maria zögerte. War sie zu weit gegangen? Schließlich war sie immer noch eine der stranieri . Und sie stellte wirklich bohrende Fragen. Hatte sie inzwischen lange genug hier gelebt, um Marias Vertrauen zu verdienen, sie um Hilfe bitten zu dürfen?
»Nach der Geburt des kleinen Stefano«, sagte Maria, nahm eine besonders schöne Aubergine und hielt sie ans Licht, um einen dunklen Fleck auf der Schale zu inspizieren, »ist sie nicht mehr viel ausgegangen.«
So? Aurelia wartete. Es war doch ganz natürlich, dass man eher zu Hause blieb, wenn man sich um ein Neugeborenes kümmern musste.
»Die Leute sagen« – Maria senkte die Stimme –, »weil er es nicht gerne sah.« Die erhobene Augenbraue sollte Aurelia zu verstehen geben, dass es sich hier um ein unbestätigtes Gerücht handelte, das jedoch möglicherweise der Wahrheit entsprach.
»Wirklich?« Das erschien Aurelia eher unwahrscheinlich. Sie versuchte sich Enrico als karrierebesessenen Geschäftsmann vorzustellen, der keine Zeit für seine Frau erübrigte und ihr gleichzeitig verbot, ins Dorf zu gehen – und scheiterte kläglich. Sie schalt sich eine Närrin, weil sie überhaupt gefragt hatte. Enrico war so ein netter, umgänglicher Mann. Sie lebte lange genug mit ihm zusammen, um das zu wissen. Aus welchem Grund also mochte Catarina nicht mehr ausgegangen sein? Aber wo Rauch ist, da ist auch Feuer …
Maria zögerte. »Wenn sie allerdings doch mal ins Dorf kam …«
»Ja?« Aurelia konnte den Auberginen nicht widerstehen. Sie wählte zwei besonders prächtige Exemplare der glänzenden Eierfrüchte aus.
Maria hatte die Stimme noch mehr gesenkt. »Dann sagte sie seltsame Sachen.«
»Was für Sachen?« Augenblicklich verlor Aurelia das Interesse an dem Gemüse, so herrlich es auch sein mochte.
»Darüber möchte ich nicht reden.« Maria presste die Lippen zusammen.
Dafür ist es jetzt ein bisschen spät, dachte Aurelia. Unverwandt sah sie Maria in die dunklen, ehrlichen Augen. Es funktionierte.
»Sie sagte, jemand versuche sie umzubringen.«
»Wie bitte?« Aurelia starrte sie an. »Das hat Catarina behauptet?«
Maria nickte. »Ich habe es mit eigenen Ohren gehört.« Sie deutete mit beiden Zeigefingern auf ihre Ohren, als sei Aurelia des Italienischen vorübergehend nicht mehr mächtig.
Die Ladenglocke ertönte. Eine
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