Das Erbe des Blutes - Roman
am Laufen und war immer noch besser, als auf der Wache vor Ort von einem zum anderen weitergereicht zu werden auf der Suche nach dem zuständigen Beamten, der den Bericht irgendwo in der untersten Schublade vergraben hatte.
»Jup.«
Als er das Unbehagen des Anwalts spürte, änderte er seine Taktik. »Ich würde seiner Frau gern eine Karte schicken, mein Mitgefühl ausdrücken. Haben Sie ihre Adresse?«
»Er war geschieden.«
»Wirklich?«
»Im vergangenen Jahr. War’ne üble Geschichte.«
Foster kritzelte eine Notiz. »Armer Kerl«, murmelte er.
»Hat ihm ziemlich zugesetzt«, erwiderte der Australier.
»Er hat schon immer mal gern einen über den Durst getrunken.«
»Hat sich das aber nicht anmerken lassen. Besonders während des letzten Jahres. Wir schätzen, dass er danach in seiner Stammkneipe noch ein paar Absacker gekippt hat. Als er genug intus hatte, ist er in irgendeine Bahn gestiegen.«
Foster wusste, dass der Mann, wenn es sich bei der Leiche unten um Graham Ellis handelte, doch auf dem Weg nach Hause gewesen war, egal was für Probleme er an dem Abend zu bewältigen hatte. Nur kam er nie an. Foster brauchte dringend eine Identifikation.
Er beendete das Telefonat und machte sich daran, Kontakt zur West Midlands Police aufzunehmen. Doch gerade als er die Nummer wählen wollte, klingelte das Telefon. Es war der diensthabende Sergeant von der Wache in Notting Hill. Sie hatten Laufkundschaft: ein Mann, der behauptete, etwas über einen möglichen Mord zu wissen. Er bestand darauf, mit jemandem in leitender Funktion zu sprechen.
»Der Mann hat ein Paket bei sich, Sir«, sagte der Sergeant leise, aber bestimmt.
Als Foster zusammen mit DS Jenkins in Notting Hill ankam, saß der Mann in einem Verhörraum und hielt sich an einer Tasse Tee fest. Er war leger gekleidet, machte aber dennoch einen smarten Eindruck: braune Cordhose, marineblauer Pullover über einem Hemd mit offenem Kragen. Von Zeit zu Zeit fiel die dunkle Haarmähne über seine Augenbraue. Sein Gesicht - nichtssagend, aber doch so offen, dass sein Alter schwer zu schätzen war, mit wasserblauen Augen - kam Foster irgendwie bekannt vor.
Auf dem Tisch lag ein Schuhkarton.
»Tut mir leid, dass Sie warten mussten«, sagte Foster und stellte Heather vor.
Der Mann nickte und lächelte kurz. Sein Blick war leer, das Gesicht fahl. Er schien verwirrt zu sein.
»Simon Perry«, sagte er langsam und mechanisch mit klarer Stimme, die auf eine gut situierte Herkunft hindeutete.
Der Name kam ihm auch irgendwie bekannt vor, aber Fosters Augen richteten sich auf den Karton auf dem Tisch.
»Was ist da drin, Sir?«, fragte Foster.
Es dauerte etwas, bis die Worte in Perrys Gehirn drangen. Schließlich antwortete er wie unbeteiligt: »Die Augen meiner Schwester.«
»Sind Sie der Einzige, der das hier angefasst hat?«
»Soweit ich weiß, ja.«
»Wir müssen Ihre Fingerabdrücke nehmen«, sagte Foster. »Um sie auszuschließen.«
»Selbstverständlich.«
Foster streifte Latexhandschuhe über und nahm den Deckel ab.
Der Boden war mit einem Baumwollbett gepolstert. Darauf lag ein Paar Augen. Foster konnte es nicht fassen, wie groß sie waren: Die Augäpfel hatten die Größe von Golfbällen, ein Teil des Sehnervs hing nach unten. Er realisierte, wie wenig man von einem Auge wirklich sah. Sie schienen intakt zu sein, was darauf hindeutete, dass jemand sie äußerst sorgfältig entfernt hatte. Die Augen waren fast farblos, mit einem Blauschimmer in der Iris.
Er legte den Deckel wieder auf den Karton. »Warum glauben Sie, dass die von Ihrer Schwester sind?«
»Die Farbe.«
»Ehrlich gesagt konnte ich nicht viel Farbe erkennen …«
»Sie hat Albinoaugen.«
»Sie ist ein Albino?«
Perry starrte einfach weiter ins Leere, als hätte er gar nicht zugehört.
Dann ergriff Heather das Wort. »Woraus besteht der Albinismus bei ihr denn?«
Der Stimmwechsel schien ihn aus seiner Lethargie zu reißen.
»Helle Haut und Haare, aber vor allem ihre Augen. Sie sind ganz hellblau. Sie ist die Erste seit Generationen. Es ist ein rezessives Gen. Bei Dammy sind die Merkmale wieder aufgetreten.«
»Dammy?«
»Wie in Damson.«
»Heißt sie so?«
»Nein. Sie heißt Nella. Damson ist ihr Spitzname, weil unsere älteste Schwester Plum genannt wird, obwohl ihr richtiger Name Victoria ist. Ein Familienwitz.«
Der Esprit der englischen Oberschicht, dachte Foster. Nella war einer der Namen, die Barnes als mögliche Entsprechung vorgeschlagen hatte.
»Hat Ihre
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