Das Erbe des Greifen
wirklich so viel von diesen Händlern?«, fragte Tarlon zweifelnd. »Hauptsächlich doch nur Metalle, nicht wahr?« Er reichte die alte Karte an seine Schwester weiter. »Und siehst du die Symbole hier an den Bergflanken? Dort sind Kupfer- und Zinnminen eingezeichnet. Zudem weiß ich von Vater, dass es auch noch alte Eisenminen gibt. Es gibt hier im Tal fast alles, was man braucht.«
»Nur denke ich, dass kaum jemand von uns in den Minen arbeiten will«, meinte Garret. »Es muss eine arge Schufterei sein.«
»Das Eisen, das wir von den Händlern beziehen, wird auch irgendwo in Minen abgebaut, irgendwo gibt es also Leute, die in Minen schuften«, entgegnete Tarlon. Vanessa reichte ihm die Karte zurück, und er verstaute sie wieder sorgfältig in seinem Wams. »Es ist einfach so, dass ich beim besten Willen nicht verstehe, warum nicht viel mehr Leute in unserem Tal leben.«
»Nun, das wird sich ja bald ändern. Den Söldnern scheint es jedenfalls ernst damit zu sein, sich hier ansiedeln zu wollen«, sagte Garret. »Ich finde das gut, denn so wird man ab und zu auch mal neue Gesichter im Dorf zu sehen bekommen.« Er zuckte mit den Schultern. »Du magst ja durchaus Recht haben, und es gibt zu wenig Menschen hier bei uns, aber ist das wirklich von Belang?«
»Genau das weiß ich eben nicht«, sagte Tarlon. »Ich würde es aber gerne wissen.«
Garret sah ihn an und lachte.
»Manchmal verstehe ich wirklich nicht, warum du dir über so etwas den Kopf zerbrichst. Lass die Dinge doch einfach, wie sie sind!« Er hob seinen Blick und musterte die alte Straße hoch zum Pass. »Ich denke im Moment jedenfalls nur daran, so bald wie möglich unseren nächsten Rastplatz zu erreichen. Tut dir denn dein Hintern überhaupt nicht weh?«
»Auf so etwas achte ich nicht«, gab Tarlon zurück. »Ich mache mir über andere Dinge Gedanken.«
»Das merke ich«, grinste Garret. »Nur gelingt mir das bestimmt nicht, solange mich mein Hintern ständig daran erinnert, dass ich keine Pferde mag! Es gibt nur einen Trost.«
»Und welcher wäre das?«, fragte Vanessa neugierig.
»Wenn wir nicht reiten, sondern laufen würden, wären es meine Füße, die mir wehtäten. Und das würde mir noch weniger gefallen!«
Ein Schuss ins Dunkle
Am späten Nachmittag erreichten sie die Ruinen der alten Passfeste. Noch immer verschloss eine von mächtigen, massiven Steinen erbaute Mauer den Pass. Allerdings hatten das Eis und der Frost vieler Winter eine Menge der großen Steinblöcke aus ihr herausgesprengt, so dass nun das gesamte Areal links und rechts der Mauer mit schweren Felsbrocken übersät war.
Damit die schweren Handelswagen der Händler den Pass überhaupt noch passieren konnten, war es notwendig gewesen, die schweren Steinbrocken an einigen Stellen mühsam zur Seite zu stemmen, eine Arbeit, die jedes Jahr im Frühjahr wiederholt werden musste.
»Halt«, rief Garret an einer Stelle, stieg ab und wies die anderen beiden schweigend auf Teile eines menschlichen Skeletts hin, das unter einem mehr als doppelt mannshohen Felsen teilweise noch gut zu sehen war.
»Dieser Brocken stammt bestimmt nicht aus der Mauer«, stellte Tarlon fest und blickte zu den steilen, den Pass umgebenden Felswänden hinauf. »Ich frage mich, ob er wohl von alleine runtergefallen ist oder ob da jemand nachgeholfen hat.« Er wandte sich an Garret. »Kannst du etwas erkennen?«
»Ich bin mir nicht ganz sicher«, antwortete dieser. »Es kann sein, dass es dort oben einen Pfad gibt. Wenn ja, wäre das nur in unserem Sinne … denn dann kann hier keine Armee passieren, ohne dass man sie nicht für einige Zeit aufhalten kann. Wenn wir nur fünfzig Bogenschützen dort oben postieren, wird dieser Pass einen fürchterlichen Blutzoll von Beliors Truppen fordern.«
»Wollte Ralik den Pass nicht wieder besetzen?«, fragte Vanessa und musterte den runden Turm, der sich etwas rechts vom eingestürzten Tor der alten Mauer befand. »Der Turm sieht jedenfalls noch so aus, als könnte man ihn benutzen.«
»Seine Mauern stehen noch, mehr aber auch nicht«, meinte Garret. »Wie man durch seine offene Tür sehen kann, sind die Böden durchgebrochen …« Er schüttelte den Kopf. »Gar so einfach wird es also nicht werden. Das Einzige, was dafür spricht, hier wieder eine Feste zu errichten, ist, dass man genügend Steine vor Ort hat und sie nicht erst hochschleppen muss. Außerdem müssten wir sofort damit anfangen, die Anlage wieder in Stand zu setzen. Viel Zeit wird uns dazu
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