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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Erschöpfung betäubte mit dem Ablauf der Tage Romys Gefühle, die seit Jems Festnahme zwischen Zuversicht und Verzweiflung geschwankt hatten. Sie arbeitete von morgens bis abends im Hotel, führte den Hund spazieren, hielt Kontakt mit ihrer Mutter in Stratton und Mr. Rogers in Bermondsey und besuchte regelmäßig ihren Bruder. Nach dem Prozeß, sagte sie sich immer wieder von neuem, wird alles wieder gut. Wenn sie es nur oft genug sagte, mußte es doch wahr werden.
    Als sie eines Tages aus der Mittagspause ins Hotel zurückkam, hielt Jackie, die Rezeptionistin, sie auf. »Vorsicht, dicke Luft, Romy«, flüsterte sie warnend.
    »Was ist denn los?«
    Jackies Augen blitzten. »Mrs. P. ist gerade dahintergekommen, daß ihr Liebster es immer noch mit dieser Mrs. O’Neill treibt. Der kann froh sein, wenn er da heil wieder rauskommt.«
    Sie hörte die lauten Stimmen, sobald sie in den Korridor einbog. Als sie vor dem Büro stehenblieb und die Hand hob, um anzuklopfen, hörte sie Mrs. Plummer schreien: »Wie kannst du dich soweit erniedrigen, mit dem billigen Flittchen herumzuziehen?«
    »Billiges Flittchen?« Das war Johnnie Fitzgeralds Stimme. »Klar, damit kennst du dich aus.«
    Ein hörbares Nach-Luft-Schnappen. »Was soll das heißen?«
    »Was meinst du wohl, was die hochgeschätzten Gäste deines ehrbaren Hotels sagen würden, wenn sie die Wahrheit über dich wüßten, Mirabel? Soll ich ihnen reinen Wein einschenken? Soll ich ihnen erzählen, daß du als Animierdame angefangen hast? Die würden genau wissen, was das heißt, meinst du nicht?«
    »Johnnie –« In Mrs. Plummers Stimme mischten sich Furcht und Schmerz. »Johnnie, das kannst du nicht!«
    »Ach, nein?« Höhnisches Gelächter. »Das wollen wir doch mal sehen.«
    »Du hast es mir versprochen.«
    »Soll ich ihnen verraten, daß du nichts weiter bist als eine Hure? Eine alte häßliche Hure! Ich würde mich schämen, mit dir gesehen zu werden. Einmal eine Hure, immer eine Hure –«
    Ein Knall wie von einem Gewehrschuß. Die Tür erzitterte unter dem Aufprall des Geschosses, das sie getroffen hatte. »Du Dreckskerl!« schrie Mrs. Plummer. »Du gemeiner Dreckskerl!«
    Klirren von zerbrochenem Glas und ein unterdrückter Aufschrei von Johnnie Fitzgerald. Als er wieder sprach, hatte seine Stimme ein ganz anderes Timbre. Romy konnte die leise gesprochenen Worte nur mit Mühe verstehen.
    »Du Luder. Du gehässiges altes Luder –«
    Dann wieder Mrs. Plummer, mit flehender Stimme jetzt. »Tu mir nichts, Johnnie. Bitte, tu mir nichts.«
    Romy öffnete die Tür. Johnnie Fitzgeralds Hand lag an Mrs. Plummers Hals. Blut sickerte aus einer Schnittwunde an seiner Stirn. Auf dem Teppich lagen Glasscherben.
    »Weg da!« Romy trat ins Zimmer. »Lassen Sie sie los.«
    Johnnie Fitzgeralds Hand fiel herab.
    »Raus jetzt! Und lassen Sie sich hier nie wieder blicken.«
    Einen Moment lang glaubte sie, er würde sich widersetzen. Dann aber machte er auf dem Absatz kehrt und ging, sich das Blut von der Stirn tupfend, mit großen Schritten zur Tür. Dort angekommen, sagte er leise und drohend: »Sie hätten sich da lieber nicht einmischen sollen.« Dann fiel die Tür hinter ihm zu.
    Romy schaffte es gerade noch, Mrs. Plummer zu halten, bevor diese zusammenbrach. Sie führte sie zu einem Sessel. Das elegante Hardy-Amies-Kostüm war zerdrückt, die Perlenkette an ihrem Hals gerissen.
    »Meine Perlen«, flüsterte sie und hielt die beiden abgerissenen Enden der Kette zusammen.
    Romy kroch auf dem Teppich herum und suchte Perlen.
    Mrs. Plummer murmelte: »Er kann mich fertigmachen, wenn er will. Der einzige Trost ist, daß ich wahrscheinlich nicht mehr lange genug leben werde.«
    »Unsinn! Er kann Sie nicht fertigmachen.« Mit einem Häufchen Perlen in der Hand, richtete Romy sich auf. »Er hat nur gedroht, um Ihnen angst zu machen.«
    »Nein.«
    Das Wort war so leise gesprochen, daß sie es beinahe nicht gehört hätte. Sie stand auf. Mrs. Plummer sah tief deprimiert aus.
    »Ich weiß, daß er gelogen hat«, sagte Romy.
    »Nein. Es ist wahr.« Mrs. Plummer schüttelte mit langsamer Bewegung den Kopf. »Es ist wahr«, wiederholte sie mit etwas kräftigerer Stimme. »In den zwanziger Jahren habe ich in einem Nachtlokal gearbeitet. Ich mußte die Getränke servieren und mich mit den Gästen unterhalten.« Sie schloß die Augen und holte hörbar Atem. Dann sagte sie müde: »Ich war jung und hübsch und habe getan, was Frauen seit ewigen Zeiten tun. Die Männer hatten das

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