Das Erbe des Vaters
Trittsteinen. Jems drei Hunde – Sandy, der Windhundmischling, jetzt ziemlich alt und bedächtig; Tess, der Schäferhund; und ein junger dreibeiniger Mischling, den Jem zu sich genommen hatte, weil er sonst eingeschläfert worden wäre – dösten am Ufer oder tollten im Wasser herum.
Jem kauerte neben Danny und half ihm, das Netz durch das Wasser zu ziehen. Romy sagte: »Es war doch schön für dich, Danny bei dir zu haben, nicht wahr, Jem?«
»Ja, wir beide sind gut miteinander zurechtgekommen.«
»Vielleicht solltest du doch mal überlegen, ob du ihn nicht ganz zu dir holen willst.«
Danny planschte im seichten Wasser. Jem beobachtete ihn. »Ach, ich weiß nicht, Romy.«
»Er wird im nächsten Monat drei. Es wäre am besten, wenn er sich bei dir eingelebt hat, bevor er zur Schule kommt. Und ihr versteht euch so gut. Er ist glücklich hier, das sieht man. Und du selbst hast immer gesagt, es wäre viel besser für Kinder, auf dem Land aufzuwachsen.« Sie goß sich etwas Apfelsaft ein. »Du führst doch jetzt ein ganz geregeltes Leben.«
Er setzte sich neben sie auf die Uferböschung. »Ja, aber genau das ist doch der springende Punkt. Was passiert, wenn was schiefgeht?«
»Warum sollte etwas schiefgehen?«
»Es wäre ja nicht das erste Mal. Denk an die Zeit nach dem Militär – nach Brighton. Damals dachte ich auch, ich hätte alles im Griff. Ich hatte Arbeit, ich hatte eine Unterkunft, und ich hatte Liz.«
Sie sah ihn forschend an. »Du trauerst ihr immer noch nach, stimmt’s?«
»Ich werde ihr immer nachtrauern. Wenn Liz in diesem Moment über den Hügel da käme und zu mir zurückkehren wollte, würde ich sie mit offenen Armen aufnehmen, Romy. Ich weiß, daß ich nie wieder eine Frau wie sie finden werde.«
»Vielleicht nicht wie sie. Aber es gibt andere Frauen.«
»Für mich nicht.« Er nahm einen Apfel aus dem Rucksack und sah sie an. »Schau uns doch mal an, Mitte Zwanzig und nirgends der Hauch eines Ehemanns oder einer Ehefrau. Wir sind beide Einzelgänger.«
Der Gedanke flößte ihr Unbehagen ein. »Egal, Jem. Danny ist kein Baby mehr. Er ist jetzt ein kleiner Junge. Er braucht seinen Vater.«
»Es ist ja nicht so, daß ich ihn nicht bei mir haben will, das weißt du. Aber ich lebe sehr zurückgezogen. Das ist besser für mich. Mit einem Kind geht das aber nicht. Das würde dem Kind nicht guttun. Kinder brauchen Freunde.«
»Aber du kommst doch gut zurecht, oder nicht?«
»Ich bin glücklich und zufrieden hier, Romy.« Er stand auf und schleuderte das Kerngehäuse in den Fluß hinaus. »Aber es weiß ja auch niemand etwas. Sie wissen hier nicht, was ich getan habe. Mike hat keine Ahnung.« Mike Green war der Bauer, bei dem Jem arbeitete. »Sie wissen nicht, daß ich im Gefängnis war. Du weißt doch, wie es in Stratton war. Sobald die Leute wußten, daß wir am Hill View wohnten – sobald sie wußten, daß wir Dennis Parrys Kinder waren –, waren wir abgestempelt. Wenn Mike dahinterkäme, daß ich im Gefängnis war – na ja, dann würde er mich vielleicht nicht mehr beschäftigen wollen und an die Luft setzen.«
»Es gibt keinen Grund, weshalb er es jemals erfahren sollte, Jem.«
»Aber wenn! Dann müßte ich hier weg und woanders wieder neu anfangen. Das ist mir schon oft genug so gegangen. Und das wäre Danny gegenüber wirklich nicht fair.«
Er ging zum Wasser und kauerte mit ausgebreiteten Armen vor seinem kleinen Sohn nieder.
Romy versuchte es noch einmal. »Aber du läßt es dir mal durch den Kopf gehen, ja, Jem?«
Sie sah in Jems Augen eine Mischung aus Furcht und Sehnsucht. »Ja, natürlich«, sagte er und schwang seinen Sohn hoch in die Luft.
Auf der anderen Seite von Parfitt Gardens war eine ganze Zeile eleganter georgianischer Häuser aufgekauft worden. Man hatte sie in Wohnungen unterteilt, die für teures Geld wieder losgeschlagen wurden. Vor den meisten dieser Häuser pflegten jetzt ein, zwei Autos zu parken. Wenn Romy dieser Tage über den Platz und die kleine Grünanlage ging, hörte sie nicht Vogelgezwitscher wie an jenem ersten Tag, als sie hier angekommen war, sondern Hupen und Motorengeknatter.
Auch das Hotel veränderte sich. Die Renovierungsarbeiten hatten begonnen. Sie gingen langsam und stockend voran, und jede Aktion, die in Angriff genommen wurde, schien eine weitere notwendig zu machen. Die Handwerker entfernten einen rostigen Heizkörper und entdeckten dahinter feuchte Stellen in der Wand. Oder sie lösten das Isolierpapier ab, und es fiel in großen
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