Das Erbe des Vaters
nichts.«
Sie waren in seiner Wohnung im Bett. Ihr Kopf lag in der Mulde seiner Schulter.
»Es ist das Hotel«, sagte sie nach einer Weile. »Ich mache mir Sorgen um das Hotel.«
»Geldsorgen?«
»Ja.«
»Wie schlimm ist es?«
»Oh –« sie lachte kurz –, »ziemlich schlimm.«
Er hätte gern gewußt, ob es wirklich das Hotel war oder ob etwas anderes sie bedrückte. »Fitzgerald –«, sagte er, und sie unterbrach ihn hastig. »Fitzgerald ist unwichtig. Mit dem werde ich fertig. Aber die Bank macht Schwierigkeiten, und die Holzbehandlung ist so teuer und …«
Seltsam, dachte er, wenn man jemandes Gesicht nicht sehen konnte, wenn man den anderen nur berühren und dem Timbre seiner Stimme lauschen konnte, nahm man Dinge wahr, die einem sonst entgangen wären. Er merkte zum Beispiel ganz genau, daß sie ihn zwar nicht direkt belog, aber doch nur einen Teil der Wahrheit verriet.
Er küßte sie auf den Scheitel. »Ich hab’s dir schon mal gesagt: Du mußt nicht immer alles allein schaffen.«
»Was schlägst du denn vor, Caleb? Könntest du mir vielleicht zweitausend Pfund leihen?«
»Leider nein. Aber wir könnten unsere Schulden zusammenlegen. Das würde vielleicht dem Trelawney nicht helfen, aber es könnte andere Vorteile haben. Man hätte beim Frühstück ein Gegenüber, mit dem man reden kann. Man müßte nicht mehr heimlich durch die Gänge schleichen und so tun, als schliefe man getrennt. Man hätte jemanden, der einem zuhört, wenn es einem schlechtgeht.«
»Caleb«, sagte sie leise.
»Würdest du mich heiraten, Romy?«
Er spürte, wie sie still wurde. Als das Schweigen zu lang geworden war, sagte er: »Na ja, es war wahrscheinlich zu optimistisch von mir zu glauben, du würdest bei diesem Angebot sofort zuschlagen, aber –«
»Das ist es nicht.« Sie stieß einen kleinen Seufzer aus. »Aber jetzt kann ich dich nicht heiraten.«
Er bemühte sich, seine Enttäuschung zu verbergen. Er hatte auch seinen Stolz. »Ich dachte nicht gleich an morgen«, sagte er. »Wir können ja eine gewisse Zeit warten – solange wie es dauert, das Aufgebot zu bestellen – oder auch ein bißchen länger, wenn es sein muß –«
»Es ist – das Hotel. Es ist alles so schwierig, weißt du. Ich weiß nicht, was ich tun soll – ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich eigentlich will …«
»Dann warte ich eben.« Er lächelte ins Dunkel. »Paß nur auf. Ich mache dich mürbe.«
Er hatte gesehen, wie Fitzgeralds Verleumdungskampagne sie in den letzten Monaten mitgenommen hatte. Und er sah auch, daß sie einen Punkt erreicht hatte, wo sie zu erschöpft war, um einen klaren Gedanken zu fassen.
»Ich dachte«, sagte er vorsichtig, »wenn wir heiraten, böte dir das vielleicht eine Alternative zum Hotel. Wenn alles so – na ja, so unerfreulich geworden ist, daß es dir gar keinen Spaß mehr macht, würdest du vielleicht über andere Möglichkeiten nachdenken wollen.«
»Ja, klar, ich könnte Hausfrau werden«, sagte sie sarkastisch. »Zu Hause bleiben und Geschirr spülen.«
»Du weißt, daß ich das nicht gemeint habe. Aber du könntest alles tun, was du willst, Romy. Es wäre vielleicht ganz spannend, neu anzufangen.«
»Ich will aber nicht neu anfangen. Ich wüßte nichts, was ich tun will.« Ihr Ton war abwehrend. »Das Trelawney gehört mir. Und niemand nimmt es mir weg.«
Er schwieg. Nach einer Weile hob sie die Hand zu seinem Gesicht und streichelte es. »Caleb? Sei mir nicht böse. Ich brauche einfach etwas Zeit.«
»Natürlich«, sagte er. »Sag mir, was ich für dich tun kann.«
»Nichts. Du kannst nichts tun. Außer –«
»Was?«
»Zu mir halten.« Ihre Stimme war rauh. »Ganz gleich, was geschieht. Tust du das, Caleb?«
»Das weißt du doch.«
»Ganz gleich, was ich tue – ganz gleich! –, ich liebe dich. Versprich mir, daß du das nie vergißt.« Sie hatte sich auf ihre Knie erhoben. In der Dunkelheit waren ihre Augen schwarz und glänzend.
»Ich verspreche es«, sagte er. Er wußte, daß sie weinte. Er nahm sie in die Arme und begann, sie zu küssen.
Die letzten zwei Tage hatte es stark geregnet, und der Fluß war angeschwollen. Jem, der mit Sandy und Tess, dem Schäferhund, auf dem Fußweg den Hügel hinaufstieg, blickte hinunter zu dem braunen Wasser, das sich schäumend durch das Tal wälzte. Nur vielleicht ein halbes Dutzend der mehr als zwanzig Trittsteine waren noch zu sehen. An den Uferböschungen hatte die Wucht des reißenden Wassers Gras und Schilf zu einer
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