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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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schwammigen Masse zusammengedrückt.
    Es war November, eine Zeit im Jahr, die Jem nie gemocht hatte. Der trübe graue Himmel und der Wind, der die letzten Blätter von den Bäumen riß, erinnerten ihn an all die schlimmen Dinge, an die er nicht denken wollte. An einem kalten Novembertag waren sie aus Middlemere fortgegangen; im Spätherbst mehrere Jahre danach war seine Mutter Dennis Parrys Frau geworden. Zwei Tage später hatte Dennis, der es jetzt nicht mehr nötig hatte, sich von seiner besten Seite zu zeigen, Jem zum erstenmal geschlagen.
    Jahre waren vergangen, und dann hatte er im Herbst 1956 den Brief bekommen, in dem Liz ihm mitgeteilt hatte, daß sie Ray Babbs geheiratet hatte. Er hatte gerade die ersten Monate seiner Gefängnisstrafe verbüßt, und er hatte das Gefühl gehabt, die Mauern stürzten über ihm zusammen. Er hatte den Fehler begangen, seinen Schmerz herauszubrüllen, und einer der Wärter hatte ihn geschlagen und gesagt, er solle das Maul halten. Schlimmer, an dem Tag schien Riggs ihn das erste Mal zu bemerken. Riggs – grob und ungeschlacht, mit einer Vorliebe für junge Männer – suchte Jem noch heute in seinen Alpträumen heim.
    Jem schüttelte den Kopf und ging weiter. Er versuchte, an schönere Dinge zu denken. An seinen Gemüsegarten und die Hunde und an Danny. Der Garten war in diesem Jahr gut gediehen; im Sommer hatte er von den Karotten, Bohnen und Kartoffeln gelebt, die er selbst gezogen hatte. Danny hatte ihm mit Eifer beim Erbsenpflücken geholfen. Jem lächelte in sich hinein bei der Erinnerung an die Wochen, die er mit Danny verbracht hatte. Er hatte seinem Sohn gezeigt, wie man Erbsen enthülste. Die meisten hatte Danny gleich in den Mund geschoben. Jem hatte gefürchtet, er könnte Bauchweh davon bekommen, aber es war nichts passiert. Er war ein zäher kleiner Bursche und immer vergnügt. Es behagte Jem nicht, daß er in London aufwuchs. Er wollte nicht, daß Danny ein Kind wurde, das glaubte, Milch käme aus der Flasche und Erbsen aus der Dose.
    Romy lag ihm ständig damit in den Ohren, daß er Danny doch für immer zu sich nehmen solle. Romy gab nie auf, das war, sagte sich Jem, vermutlich der Grund dafür, daß sie es so weit gebracht hatte. Er selbst, dachte er manchmal, hatte schon vor langer Zeit aufgegeben. Das sagte er ihr natürlich nicht, das würde sie nur bekümmern. Er hatte ihr im Lauf der Jahre genug Sorgen gemacht, so wie er alles verpfuscht hatte. Das wollte er ihr auf keinen Fall noch einmal antun. Und außerdem kam er ja die meiste Zeit ganz gut zurecht. Nur an manchen Tagen, so wie heute, ging es ihm schlecht.
    Heute drückten ihn die schwarzen Gedanken nieder, krümmten seine Schultern, trieben ihm brennende Tränen in die Augen. Er würde natürlich nicht weinen. Er hatte nicht mehr geweint, seit er klein gewesen war – außer das eine Mal, als Liz ihm diesen Brief geschrieben und er gesehen hatte, wie die Türen zugefallen waren, daß er nun für immer ausgeschlossen sein würde.
    Jem setzte sich am Hang nieder. Er stützte die Ellbogen auf die Knie und schob die Hände in sein Haar. Sandy drängte sich an ihn, und er kraulte dem Hund den Nacken. »Mein Braver, du wirst langsam alt, nicht?« flüsterte er. Weiß mischte sich ins blasse Rotgold, und Sandy war in letzter Zeit ziemlich dünn geworden. Der beste Hund, den er je gehabt hatte.
    Als er vom Hang hinunterschaute zum Flußtal, sah er am Ufer zwei Jungen spielen. Einer war blond, der andere hatte braune Locken. Sie hatten Fischernetze und Marmeladengläser mitgebracht. Die beiden waren vielleicht sieben oder acht Jahre alt, schätzte er, im gleichen Alter wie er, als er aus Middlemere fortgemußt hatte. Jem dachte oft, wenn er nur die Uhr zurückdrehen und zu jenem Punkt zurückkehren und noch einmal anfangen könnte, würde vielleicht alles ganz anders werden. Aber er wußte, daß es keinen Neuanfang gab. Romy war da anderer Meinung, aber sie täuschte sich. Sie hatte in vielen Dingen recht, aber darin nicht.
    Die meiste Zeit dachte er nicht an Middlemere, aber heute konnte er es sich nicht aus dem Kopf schlagen. Er war nicht wütend über den Verlust wie Romy. Er vermißte es nur. Na ja, eigentlich vermißte er seinen Vater; das Haus vermißte er nicht, er konnte sich ja kaum daran erinnern. Nur an kleine Teile, wie bei einem Puzzle. In den Teilen, die er im Gedächtnis hatte, kam immer sein Vater vor. Wie er ihn auf dem Heuwagen fahren ließ; wie er ihn auf das riesige Pferd setzte; wie er ihm

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