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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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ab, sonst verhökert Loman noch seine Leiche an die medizinische Forschung.«
    Caleb begriff nicht gleich, was Goddard meinte, aber als er ein paar Tages später abends mit den anderen das Büro verließ, bemerkte er, wie dick Lomans Taschen waren, und erriet, daß sie mit Stiften, Schreibblöcken, Gummibändern, Büroklammern und allen möglichen anderen Dingen vollgestopft waren, die Loman an Bekannte oder Gäste unten im Pub verscheuern konnte. Auch diesen Typ kannte er, der sowohl aus Gewohnheit als auch aus Gier lange Finger machte; der aus Gelegenheit stahl und um zu zeigen, daß keiner ihm etwas anhaben konnte.
    Daß Loman seine Finger auch noch in anderen, größeren Geschäften hatte, wurde ihm eines Nachmittags klar, als er aus der Halle, in der ihre Transporter standen, ins Büro zurückkehren wollte und jemand leise seinen Namen rief. Er sah sich suchend um und entdeckte Loman, der sich in dem schmalen Durchgang herumdrückte, wo sie den Müll deponierten. Halb versteckt hinter ausrangierten Kartons und Orangenkisten, winkte Loman ihn heran. Sobald er in Hörweite war, flüsterte Loman: »Du liest doch gern so gescheites Zeug, oder?«
    Einen verrückten Moment lang sah Caleb sich mit Loman in heißer Diskussion über Sartre oder vielleicht Proust. Loman griff in die Tasche seines Regenmantels und zog ein Buch heraus. Es war ein sehr altes Exemplar von Unser gemeinsamer Freund , in rotes Leder gebunden.
    Caleb sah zu den römischen Zahlen auf dem Vorsatzblatt hinunter, dann hob er den Blick wieder zu Loman. »Woher hast du das?«
    »Das ist meine Sache.«
    Die Antwort sagte Caleb alles, was er wissen wollte. Er reichte Loman das Buch zurück. »Nein, danke. Behalt es. Ich hab Dickens nie besonders gemocht. Zu düster.«
    Eine von Calebs Aufgaben war es, die Kosten eines Umzugs zu berechnen und einen Kostenvoranschlag zu erstellen. Eigentlich sollte Mr. Strickland ihn anlernen, aber der delegierte den größten Teil der Arbeit an Goddard und McAulay. Caleb pflegte McAulay auf seinen Inspektionsbesuchen der Häuser zu begleiten. Sobald er das Büro mit den ständigen Querelen und Sticheleien hinter sich ließ, fühlte er sich frei. Manchmal fuhren er und McAulay aufs Land hinaus, ins hübsche Hinterland von Newbury, und während er Maß nahm und Listen aufstellte, dem mürrischen und pedantischen McAulay zuhörte, wenn er Zeiten und Kosten mit den Kunden besprach, schweifte seine Aufmerksamkeit ab. Dann blickte er von seinem Schreibblock auf und schaute in die Gärten hinaus. Viele dieser Häuser hatten riesige, parkähnliche Gärten. Einige von ihnen waren schön gestaltet und gepflegt, die meisten jedoch waren völlig phantasielos angelegt, eine Verschwendung so weiter Flächen und Ausblicke. Er pflegte sich vorzustellen, was er mit einem so herrlichen Garten tun würde, wenn er ihm gehörte. Auf ein leeres Blatt seines Blocks zeichnete er Pläne: Alleen und Terrassen und verschwiegene Winkel und Ausblicke.
    Eines Abends waren Caleb und Pickering die letzten im Büro. Caleb hatte den Eindruck, daß Pickering noch niedergeschlagener als sonst aussah, und sagte spontan: »Ich treffe mich gleich im Bull mit Goddard. Hast du Lust mitzukommen?«
    Pickering schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht.«
    »Nur auf ein Bier, Pickering. Es ist nur ein Pub, keine Opiumhöhle.«
    »Ich muß noch was arbeiten, Hesketh. Mr. Strickland will die Zahlen haben, bevor ich gehe.«
    Caleb schlüpfte in seine Jacke. »Wenn du dir ein bißchen mehr Mühe geben würdest – dich ein bißchen mehr beteiligen würdest –, ging’s dir hier vielleicht besser.«
    Pickering warf ihm einen mißmutigen Blick zu. »Ich bin nicht hier, um mich zu amüsieren.«
    Alter Miesepeter, dachte Caleb, sagte aber: »Ich meine – Loman würde vielleicht nicht so viel auf dir herumhacken, wenn du nicht so – so verdammt pingelig wärst.«
    Doch noch während er das sagte, war ihm klar, daß es nicht stimmte. Loman schikanierte Pickering, weil dieser ein kurzsichtiges, linkisches Bündel nervöser Tics war. Loman schikanierte Pickering, weil Pickering auf dem Gymnasium gewesen war und er nicht. Und aus vielen anderen unausgesprochenen, zwielichtigen Gründen.
    »Aber bitte – wie du willst«, sagte Caleb abschließend.
    Als er sich zum Gehen wandte, hörte er Pickering murmeln: »Im übrigen muß ich sowieso nach Hause. Wegen meiner Mutter.«
    »Wegen deiner Mutter?«
    Pickering hatte seine Brille abgenommen und polierte die Gläser mit einem

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